Zauberkusse
diesen Worten blicke ich betreten zu Boden, aber Loretta hat sich schon wieder umgedreht und strebt dem Haupteingang des Gerichtsgebäudes zu. »Ich muss mich sputen, hast du mal ein Kaugummi?« Während sie geduldig wartet, dass ich aus meiner monströsen Handtasche endlich ein zerknautschtes Doublemint hervorziehe, fährt sie fort: »Im Übrigen wärest du ganz schön in Schwierigkeiten, wenn ich Thekla glauben würde.«
»Wieso?« Erschrocken schaue ich sie an.
»Na ja, angeblich verschweigst du doch etwas. Lügst deine Freunde an«, ahmt sie Thekla mit zusammengezogenen Augenbrauen nach und droht mir scherzhaft mit dem Zeigefinger. »Wenn das wahr wäre, wäre ich schwer beleidigt.« Halbherzig stimme ich in ihr Lachen mit ein und umarme sie zum Abschied.
»Loretta«, halte ich sie auf, als sie schon die breite Treppe zum Gerichtsgebäude hinaufstöckelt, »warum treffen wir uns eigentlich mit Thekla, wenn du sie für eine Schwindlerin hältst?«
»Weil ich sie lustig finde«, antwortet sie wie aus der Pistole geschossen. »Außerdem habe ich das dumpfe Gefühl, dass die gute Frau früher oder später eine gute Anwältin braucht.«
Am nächsten Morgen erwache ich, weil mich etwas an der Nase kitzelt. Träge hebe ich die Hand an mein Gesicht und reiße erschrocken die Augen auf, als ich etwas Wolliges, Krauses spüre. Ach so, das ist Gregors Kopf, der auf meiner Brust liegt. Ich streichele durch seinen dichten Lockenkopf und liege ganz still da, lausche seinen ruhigen Atemzügen. Die Novembersonne malt helle Muster auf die blaue Bettdecke und ich höre den Wind in den Blättern des Baumes vor meinem Fenster rauschen. In diesem Moment gibt Gregor ein leicht grunzendes Geräusch von sich, schlägt die Augen auf und blinzelt mich von unten herauf an.
»Guten Morgen, mein Engel«, flüstert er und küsst mich auf den Mund. »Hast du gut geschlafen?« Ich nicke und er lächelt. »Ich habe von dir geträumt«, murmelt er, während er beginnt, unter der Decke meinen Körper zu streicheln. »Und in meinem Traum hast du dich genauso gut angefühlt wie in der Realität.« Er küsst meinen Mund, meinen Hals und verschwindet schließlich unter der Bettdecke.
»Hmmm«, seufze ich genießerisch, als das Telefon im Flur klingelt. Wer kann das denn sein? Ist nicht noch früher Morgen? Ich entscheide mich, den Anrufbeantworter drangehen zu lassen und konzentriere mich auf Gregors Lippen, die sich langsam einen Weg über meinen Körper bahnen.
»Dies ist der Anschluss von Luzie Kramer. Ich bin gerade nicht zu Hause, bitte versuchen Sie es auf meinem Handy oder hinterlassen Sie mir eine Nachricht nach dem Ton. Vielen Dank«, erklingt meine eigene Stimme aus dem Anrufbeantworter und ich erschaudere kurz. Zum einen, weil Gregors Zunge gerade meinen Bauchnabel umkreist und mich das wahnsinnig macht, zum anderen, weil ich es nach wie vor schrecklich finde, mich selber zu hören.
»Luzie, ich bin’s, Loretta. Wo steckst du? Und wieso ist dein Handy ausgeschaltet? Es ist gerade mal neun Uhr morgens, du gehst doch nie vor zehn Uhr aus dem Haus. Also gehe ich mal davon aus, dass du noch schläfst. Aufwachen, aufwachen, na los«, brüllt sie, »ich bin auf dem Weg zu dir und wenn du nicht von selber aufwachst, dann …« Mit einem Satz bin ich aus dem Bett und hechte zum Telefon.
12.
Mann im Wandschrank
»Loretta, ich bin wach«, keuche ich in den Hörer und sehe zurück in mein Schlafzimmer, wo Gregor gerade mit einem verdutzten Gesichtsausdruck aus dem Deckenwust hervorlugt.
»Was …«, fragt er verwirrt, aber ich lege warnend einen Zeigefinger an die Lippen und bedeute ihm, ruhig zu sein.
»Also, was ist so wichtig zu dieser nachtschlafenden Zeit?«, erkundige ich mich und ziehe fröstelnd die Schultern hoch. »Ich hatte eine anstrengende Schicht gestern im L’Auberge.« Und danach bin ich auch lange nicht zum Schlafen gekommen, füge ich im Geiste hinzu und grinse in mich hinein.
»Tut mir leid«, entschuldigt sie sich zerknirscht, »aber ich habe gerade einen Anruf von Thekla bekommen. Sie sitzt auf dem Polizeirevier.«
»Das kann doch nicht wahr sein«, staune ich, während Gregor herankommt und mir fürsorglich die Bettdecke um die Schultern legt. Dankbar lächele ich ihn an. »Was ist denn passiert?«
»Keine Ahnung, sie war total durch den Wind und hat nur gebeten, dass wir sie abholen, weil ihr Sohn doch auf dem Föhrer Jahrmarkt rumturnt.«
»Ach so, ja«, antworte ich abgelenkt, denn gerade hat sich
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