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Zauberkusse

Zauberkusse

Titel: Zauberkusse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Voosen Jana
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Tarotkarte, auf die ich mit zitternder Hand weise.
    »Der Tod«, flüstere ich heiser, »das Endergebnis ist der Tod.« Ich greife nach meinem Proseccoglas und stürze den kläglichen Rest darin herunter.
    »Schieb jetzt keine Panik«, beschwört mich Loretta, »das ist doch sowieso alles Humbug.«
    »Was?«, schreit Thekla empört auf, aber ich klammere mich an diese Hoffnung wie der Ertrinkende an den Strohhalm. Dabei fällt mir ein: Wie werde ich denn sterben? Ob das auch in den Karten steht? Wird Gregor mich wieder verlassen und ich mich in die reißenden Fluten der Elbe stürzen? Oder wird mir bei den Renovierungsarbeiten ein Ziegelstein auf den Kopf fallen? Wie auch immer, ich will nicht sterben! »Ihr müsst ja nicht daran glauben, wenn ihr nicht wollt«, meint Thekla jetzt und verzieht beleidigt das Gesicht, »aber ich kann dir versichern, dass der Tod eine gute Karte ist und nicht etwa dein Ableben voraussagt.«
    »Wirklich nicht?«, frage ich hoffnungsvoll, während Thekla gleichmütig die Karten wieder zusammenräumt und in ihrer Tasche verschwinden lässt. »Was bedeutet sie denn?«, versuche ich es erneut, aber sie zuckt nur mit den Achseln.
    »Ist doch sowieso alles Humbug«, äfft sie Loretta nach und wirft ihr einen scheelen Seitenblick zu. »Ich glaub, ich geh dann jetzt mal. Die alte Thekla erzählt ja sowieso nur Geschichten.«
    »Nein, nein, das hat Loretta doch gar nicht gemeint«, beeile ich mich zu sagen und halte Thekla am Arm fest, »das hat sie nur gesagt, weil sie mich beruhigen wollte. Stimmt doch, oder?«
    »Klar, das stimmt«, lügt Loretta so wenig überzeugend, dass ich ihr einen warnenden Blick zuwerfe. Aber Thekla scheint das zu reichen, denn sie entspannt sich wieder ein wenig.
    »Bitte sag mir, was die Karte zu bedeuten hat«, bettele ich sie an und schließlich lässt sie sich erweichen:
    »Der Tod repräsentiert einfach das Ende eines Entwicklungsabschnittes. Dir stehen eine Menge Veränderungen ins Haus, du wirst alte Zöpfe abschneiden, dich befreien und Trennungen vollziehen. Dadurch ergeben sich ganz neue Lebensperspektiven und damit die Möglichkeit zum Neuanfang. Auf jeder Ebene des Lebens.« Ich stoße einen Seufzer der Erleichterung aus und sie tätschelt mir gutmütig die Hand.
    »Ich muss also nicht sterben«, vergewissere ich mich noch einmal.
    »Irgendwann schon«, antwortet sie lächelnd, »aber vermutlich nicht so bald.«
     
    Nachdem wir uns von Thekla verabschiedet haben, begleite ich Loretta zu Fuß zurück zum Gerichtsgebäude, weil sie hofft, dass der kleine Spaziergang sie wieder ausnüchtert.
    »Erinnere mich daran, dass ich nie wieder mittags zu Paolo gehe, wenn ich eine Verhandlung bei Richter Gröhn habe«, stöhnt sie, während sie die klare Herbstluft in ihre Lungen pumpt. »Mann, bin ich beschwipst, das kann ja heiter werden.«
    »Du, Loretta«, fasse ich mir ein Herz, »sag mal, glaubst du wirklich, dass das alles Humbug ist?« Überrascht sieht sie mich an.
    »Du etwa nicht?«
    »Na ja …« Unschlüssig wiege ich den Kopf hin und her.
    »Komm schon, Luzie, das kann doch nicht dein Ernst sein«, kichert sie, »oder glaubst du etwa auch an den Weihnachtsmann?«
    »Natürlich nicht«, verteidige ich mich entrüstet, »das ist doch was ganz anderes.«
    »Ach ja?«, fragt Loretta und bleibt abrupt mitten auf dem Fußweg stehen. »Dann erklär mir mal, inwiefern das etwas ganz anderes ist. Und was an Theklas angeblichen Zauberkünsten auch nur im Entferntesten realistischer ist als an der Existenz des Weihnachtsmannes.« Ungläubig sehe ich sie an.
    »Du glaubst wirklich gar nicht daran?«, wiederhole ich.
    »Natürlich nicht. Wie sollte ich?«
    »Ja, aber was ist denn mit den ganzen Unfällen?«
    »Davon hat sie dir doch nur erzählt«, meint Loretta schulterzuckend und zieht mich weiter.
    »Annas Unfall«, erinnere ich sie, aber sie winkt lässig ab.
    »Purer Zufall, nichts weiter.« Nachdenklich stolpere ich neben meiner Freundin her.
    »Und was sie über meine Zukunft gesagt hat«, starte ich einen neuen Versuch, aber auch das wird direkt wieder vom Tisch gefegt. Loretta sieht mich mit einer Mischung aus Rührung und Mitleid an und streichelt mir über die vom Wind eiskalte Wange:
    »Es ist echt süß, wie naiv du bist«, grinst sie mich an, »aber das alles hätte ich dir genauso gut sagen können. Der ganze Quatsch von Neuanfang und alten Zöpfen, die ab müssen. Du startest dein eigenes Unternehmen und hast gerade eine Liebesbeziehung beendet.« Bei

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