Zauberschiffe 01 - Der Ring der Händler
Strand entlang fort. Über ihm folgten ihm die Möwen und suchten in dem flachen Wasser nach Leckerbissen. Er beeilte sich nicht, aber er vergaß auch nicht, dass sein Schiff auf der anderen Seite der Insel in den heimtückischen Gewässern wartete. Er würde die ganze Länge des Strands abmarschieren, wie die Tradition es verlangte, aber er hatte nicht die Absicht hierzubleiben, nachdem er die besänftigenden Worte eines Anderen gehört hatte. Und genauso wenig hatte er vor, die Schätze zurückzulassen, die er gefunden hatte. Als er diesmal lächelte, war es echt.
Während er den Strand entlangschlenderte, zog er die Hand aus der Tasche und berührte beiläufig sein anderes Handgelenk.
Die weiße Spitzenmanschette seines Seidenhemdes verbarg ein zierliches, geflochtenes Lederband. Es presste ein kleines Holzschmuckstück fest an sein Handgelenk. Die Schnitzerei zeigte ein Gesicht, das an Stirn und Kinn durchbohrt war, so dass es sich fest an sein Handgelenk schmiegte, und zwar genau über seinem Puls. Das Gesicht war einmal schwarz bemalt gewesen, aber die Farbe war mittlerweile fast vollkommen verwaschen. Die Gesichtszüge waren jedoch immer noch deutlich zu erkennen. Es war eine winzige, spöttische Maske, die mit vollkommener Sorgfalt geschnitzt worden war. Diese Schnitzerei in Auftrag zu geben hatte ihn eine außerordentliche Summe Goldes gekostet. Nicht jeder, der Hexenholz schnitzen konnte, tat das auch bereitwillig, selbst wenn man die Chuzpe besaß, welches zu stehlen.
Kennit konnte sich noch gut an den Künstler erinnern, der das winzige Gesicht für ihn hergestellt hatte. Er hatte lange Stunden in dem Atelier des Mannes zugebracht und im kühlen Licht der Morgensonne Modell gesessen, während der Bildhauer mühsam das eisenharte Holz bearbeitet hatte, um Kennits Züge zu formen. Sie hatten nicht gesprochen. Der Künstler, weil er nicht konnte. Und der Pirat, weil er nicht sollte. Der Schnitzer brauchte absolute Ruhe, um sich zu konzentrieren, denn er bearbeitete nicht nur das Holz, sondern auch einen Zauberspruch, der dieses Amulett verpflichtete, seinen Träger vor anderen Zaubern zu bewahren. Außerdem hatte Kennit dem Mann nichts zu sagen. Der Pirat hatte ihm vor Monaten eine ungeheure Summe gezahlt und dann gewartet. Schließlich kam ein Bote des Künstlers mit der Nachricht, dass der Mann ein Stück von dem kostbaren und eifersüchtig gehüteten Holz erworben habe. Kennit hatte innerlich vor Wut geschäumt, als der Holzschnitzer noch mehr Gold verlangt hatte, bevor er mit der Schnitzerei und dem Zauber anfing, doch nach außen hin hatte er nur sein rätselhaftes Lächeln gezeigt und Münzen, Juwelen und Silber auf die Waage des Künstlers geschüttet, bis dieser nickte, um anzuzeigen, dass der Preis erreicht war. Wie viele von Bingtowns illegalen Händlern hatte er schon vor langer Zeit seine Zunge geopfert, um seinen Kunden Verschwiegenheit zu garantieren. Zwar war Kennit von der Wirksamkeit einer solchen Verstümmelung nicht sonderlich überzeugt, erkannte aber den symbolischen Akt an, der darin lag.
Als der Künstler schließlich fertig war und Kennit eigenhändig das Amulett angelegt hatte, blieb ihm nur, seine tiefe Genugtuung über seine eigenen handwerklichen Fähigkeiten mit einem Nicken zu bekunden, während er das Holz mit seinen gierigen Fingern berührte.
Danach tötete Kennit ihn. Es war das einzig Vernünftige, und Kennit war ein außerordentlich vernünftiger Mann. Und er nahm sich auch das Extrahonorar wieder, das der Mann verlangt hatte. Kennit konnte Menschen nicht leiden, die sich nicht an eine einmal vereinbarte Abmachung hielten. Doch nicht deshalb hatte er ihn getötet. Sondern um das Geheimnis zu wahren.
Wenn seine Männer erfuhren, dass Kapitän Kennit ein Amulett trug, um Zauber abzuwehren, dann würden sie vielleicht glauben, dass er diese Magie fürchtete. Und er konnte nicht zulassen, dass seine Mannschaft vermutete, er habe vor irgendetwas Angst. Sein Glück war legendär. Alle Männer, die ihm folgten, glaubten daran, die meisten sogar überzeugter als er selbst. Es war der Grund, warum sie ihm folgten. Sie durften nicht auf den Gedanken kommen, dass er fürchtete, irgendetwas könnte dieses Glück bedrohen.
Er hatte sich in dem Jahr, in dem er den Künstler getötet hatte, gefragt, ob dieser Mord das Amulett beeinträchtigt haben könnte, denn es war nicht »erwacht«. Als er den Holzschnitzer gefragt hatte, wie lange es dauern würde, bis der kleine
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