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Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten

Titel: Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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sich das blutige Haar aus der Stirn und sah sich um. Es schienen Stunden vergangen zu sein, aber die Laterne flackerte immer noch, und Lop starrte sie noch immer an. Erst jetzt wurde ihr klar, wie beschränkt der Mann tatsächlich war. Er nuckelte an seinem Knöchel und als sie ihn ansah, schrie er sie an. »Ich stecke in der Klemme, ich weiß, ich stecke in der Klemme.« Sein Blick war trotzig und furchtsam.
    »Such dieses Fass mit dem verfaulten Fleisch und wirf es über Bord!« Sie hielt inne und rang nach Luft. »Anschließend machst du sauber. Dann hast du Schicht.«
    Sie beugte sich abrupt vor, stützte die Hände auf die Knie und holte mehrmals tief Luft. Ihr war schwindlig, und sie hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen, aber sie riss sich mit aller Kraft zusammen. Dann griff sie nach oben zu dem Frachthaken und zog ihn mit einem Ruck aus dem Balken.
    Artu drehte den Kopf und sah sie mit einem blutunterlaufenen Auge an. »Sir, nicht!«, flehte er. Er hob schützend die Hände über den Kopf. »Ich habe Euch nichts getan!« Der Schmerz, den ihm seine abgebrochenen Zähne bereiteten, schien ihn völlig außer Gefecht zu setzen. Er wartete auf den Schlag.
    Lop riss vor Entsetzen den Mund auf. Wie verrückt begann er, Kisten und Fässer zu verrücken und nach dem verdorbenen Fleisch zu suchen.
    Althea packte ein Stück von Artus Hemd und schlug den Frachthaken hinein. Dann ging sie zur Leiter und zerrte den Mann entschlossen hinter sich her. Er trat aus und brüllte und versuchte verzweifelt, wieder auf die Füße zu kommen. Sie hielt inne und drehte den Haken herum. Das Segeltuch seines Hemdes wickelte sich auf und zwängte seine Arme fest an seinen Körper. Sie zog ihn weiter. Er hing beinahe wie ein totes Gewicht an dem Haken. Ihre schwindenden Kräfte glich sie mit ihrer Wut aus. Sie hörte, wie Paragon etwas schrie, verstand aber seine Worte nicht. Mittlerweile zeigten sich einige Köpfe an der offenen Luke und spähten neugierig herab. Es waren die Männer von Lavoys Wache. Das bedeutete, der Erste Maat war mittlerweile vermutlich ebenfalls an Deck. Sie sah die Matrosen nicht an, als sie die Treppe hinaufkletterte und den sich heftig windenden Artu hinter sich herzog. Sie konzentrierte sich ausschließlich darauf, das Deck zu erreichen.
    Als sie schließlich oben ankam, hörte sie gemurmelte Kommentare der Männer, die sich gegenseitig fragten, was da unten wohl passiert war. Die der Luke am nächsten standen, wichen zurück. Als sie Artu hinter sich nach oben zog, wurde das fragende Gemurmel der Männer zu Flüchen der Bewunderung. Aus dem Augenwinkel erkannte sie Haff, der sie fassungslos anstarrte. Sie ließ sich nicht aufhalten, sondern ging weiter zur Backbordreling und zog Artu hinterher. Er stöhnte und ächzte. »Ich habe ihr nichts getan, ich habe nichts getan!« Seine Beschwerden wurden von seinen Händen erstickt, die er schützend über seine abgebrochenen Zähne und den blutenden Mund hielt. Lavoy sah sie unbewegt von der Steuerbordreling an.
    Plötzlich erschien Brashen auf Deck. Sein Hemd stand offen, und er war barfuß, sein Haar zerzaust. Clef folgte ihm auf dem Fuß und plapperte wie ein Wasserfall. Der Kapitän erfasste die Situation mit einem einzigen Blick. Entsetzt starrte er auf ihr blutiges Gesicht und ihre unordentliche Kleidung, aber nur einen Moment. Dann suchte sein Blick den Ersten Maat.
    »Lavoy! Was geht hier vor?«, brüllte er. »Wieso gebietest du dem nicht Einhalt?«
    »Sir?« Lavoy schien verwirrt. Er sah Althea und Artu an, als hätte er sie erst jetzt wahrgenommen. »Das ist nicht meine Wache, Sir. Der Zweite scheint die Sache gut im Griff zu haben.« Seine Stimme bekam einen befehlenden Unterton, als er sie fragte: »Ich habe doch Recht? Du kannst deine Aufgabe bewältigen, Althea?«
    Sie blieb stehen und sah ihn an. »Ich werfe nur das verdorbene Fleisch über Bord, wie Ihr befohlen habt, Sir.« Sie drehte den Haken noch ein Stück, während sie diese Worte aussprach.
    Einen Moment herrschte auf dem ganzen Schiff Schweigen. Lavoy sah Brashen fragend an. Der Kapitän zuckte mit den Schultern. »Weitermachen.« Er knöpfte sein Hemd zu, als ginge ihn das alles nichts mehr an. Dann hob er den Blick zum Horizont.
    Artu heulte wie ein getretener Hund und wehrte sich verzweifelt. Sie zog ihn dichter zur Reling und überlegte, ob sie es wirklich tun würde. Plötzlich tauchte Lop auf Deck auf. Er hatte zwei Eimer in der Hand. Der Gestank, den sie verbreiteten, verriet

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