Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten
hatte sich die Stirn angeschlagen, das Blut war auf ihrem Gesicht getrocknet und hatte ein makabres Muster hinterlassen. Ihre Augen waren schwarz und zugequollen. Ronica sah die anderen an und konnte sich vorstellen, wie sie selbst aussah.
Sie sprachen kaum. »Ich habe sie völlig vergessen«, bemerkte Keffria einmal. »Ich meine den Satrapen und seine Gefährtin. Habt ihr sie gesehen?«
Ronica schüttelte langsam den Kopf. »Ich frage mich, was mit ihnen passiert ist«, erwiderte sie, obwohl das gar nicht der Wahrheit entsprach. Sie machte sich über niemanden Gedanken außer über ihre eigene Familie.
Maltas Worte klangen wegen ihrer geschwollenen Lippen sehr undeutlich. »Die Reiter haben sie mitgenommen. Sie haben auch nach der anderen Gefährtin gesucht, aber als sie feststellten, dass ich es nicht war, haben sie mich einfach liegen lassen. Einer von ihnen meinte, ich wäre sowieso schon halb tot.«
Sie verstummte wieder. Das Schweigen hielt den ganzen Weg nach Hause an.
Wie eine Gruppe von heruntergekommenen Bettlern humpelten sie die ungepflegte Auffahrt des Vestrit-Besitzes hinauf. Aber die Tür war verschlossen, und sie waren ausgesperrt. Keffria hatte die Tränen nicht länger zurückhalten können und schwach gegen die Tür gehämmert, während sie schluchzte. Als Rache endlich kam und sie hereinließ, hielt sie ein Stück Feuerholz in der Hand, als eine Art Prügel.
Irgendwie war seitdem die Hälfte des Morgens verstrichen. Sie hatten ihre Wunden gesäubert und verbunden. Ihre vornehmen und blutigen Ballkleider lagen auf einem Haufen auf dem Flur. Die beiden Kinder lagen in ihren Betten und schliefen fest. Mit Raches Hilfe hatten Ronica und Keffria gebadet und sich umgezogen, aber sie konnten einfach keine Ruhe finden. Keffrias Finger waren schmerzhaft angeschwollen. Also mussten Ronica und Rache allein Proviant und andere Kleidung zusammensuchen. Ronica wusste nicht genau, was unten in Bingtown los war, aber bewaffnete Reiter hatten den Satrapen und seine Gefährtin letzte Nacht aus der Kutsche verschleppt und die anderen einfach dem Tod überlassen. Die Stadt brannte. Der Qualm war so dicht, dass sie nicht sehen konnte, was im Hafen vorging. Sie würde nicht warten, bis das Chaos an ihre Tür klopfte. Sie hatten ihre alte Mähre und Seldens fettes Pony. Sie konnten zwar nicht viel mitnehmen, aber Ronica räumte bitter ein, dass sie auch nicht mehr viel Wertvolles besaßen. Sie würden fliehen und nur ihr nacktes Leben retten. Ingelhof gehörte zu Ronicas Mitgift. Sie würden mindestens zwei Tage brauchen, bis sie dort ankamen. Sie fragte sich, was die alte Tetna, die Verwalterin, von ihr denken würde. Sie hatte ihr uraltes Kindermädchen seit Jahren nicht mehr gesehen und versuchte sich einzureden, dass sie sich darauf freute.
Als es an der Tür klopfte, ließ Ronica die Bettwäsche fallen und trat in den Flur. Am liebsten wäre sie weggelaufen, aber das ging nicht. Sie stand allein zwischen dem, was vor der Tür lauerte, und den Kindern ihrer Familie. Sie sah, wie Rache aus der Küche trat, das Scheit Feuerholz in der Hand. Kapitän Vestrits Eitelkeit war es zuzuschreiben, dass er ein Splisseisen auf seinem Schreibtisch aufbewahrte. Es war immer noch da, und Ronica hielt es in der Hand, als sie hinter die Tür trat. »Wer ist da?«
»Reyn Khuprus! Bitte, lasst mich herein!«
Ronica nickte Rache zu, legte das Eisen jedoch nicht aus der Hand. Die Dienstmagd schob den Riegel zurück und schloss die Tür auf. Als sie aufschwang, zuckte Reyn entsetzt zurück, als er die mitgenommenene alte Frau sah.
»Bei meiner Ehre, ich habe gebetet, dass es nicht wahr sein möge!«, rief er. »Und Malta?«
Ronica starrte den jungen Regenwildmann an. Er trug immer noch seine elegante Abendkleidung, aber der Geruch von Staub und Rauch hing an ihm. Er war offenbar mitten im Geschehen gewesen. »Sie lebt«, erwiderte Ronica tonlos. »Davad Restate ist tot, genau wie der Kutscher.«
Er schien ihre Worte nicht zu hören. »Ich schwöre, dass ich das nicht gewusst habe. Sie kam doch in einer gemieteten Droschke; alle sagten mir, dass Ihr in einer Mietkutsche gekommen wärt. Ich habe erwartet, dass Ihr auch mit ihr wegfahren würdet. Bitte, bitte, sagt es mir: Geht es Malta gut?«
Ronica begriff sofort den Zusammenhang. Es überlief sie eiskalt. »Eure Leute haben sie einfach dem Tod überlassen. Das heißt, sie haben ihr gesagt, dass sie sterben würde. Das sollte Euch genug über ihren Zustand verraten. Guten
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