Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten
an. Sie erwartete, dass Lavoy Brashen auf der Stelle herausfordern würde. Die beiden Männer starrten sich eisig an. Lavoy bewegte die Lippen, als wollte er etwas sagen, nickte dann jedoch knapp und drehte sich um. Er knallte die Tür nicht hinter sich zu, schloss sie aber vernehmlich.
»War das klug?« Amber wagte es, diese Frage in das Schweigen hinein zu stellen.
Brashen warf ihr den kühlen Blick eines Kapitäns zu. »Es war vielleicht nicht klug, aber notwendig.« Er seufzte, als er sich auf dem Stuhl zurücklehnte, und schenkte sich einen weiteren Schluck Brandy ein. Dann wandte er sich erklärend an Amber. »Er ist der Erste Maat. Ich kann nicht zulassen, dass er glaubt, er wäre meine Stimme oder dass nur seine und meine Meinung zählen. Ich habe euch herbestellt, weil ich eure Meinungen hören wollte. Ich kann nicht akzeptieren, wenn er das gering schätzt.« Er lächelte knapp. »Aber vergiss nicht, dass ich das ohne Weiteres tun könnte.«
Amber runzelte die Stirn, aber Althea begriff seinen Standpunkt sofort. Plötzlich sah sie ihn mit neuen Augen. Er hatte es. Was auch immer diese undefinierbare Qualität eines Kapitäns, ein Schiff führen zu können, ausmachte: Brashen hatte es. Er hatte eine kalte, harte Linie gezogen, die den Kapitän von seiner Mannschaft trennte. Ob er einsam war? Dann wurde ihr klar, dass das keine Rolle spielte. Er war, was er sein musste. Er konnte nicht anders sein und trotzdem wirkungsvoll befehligen. Ein Stich durchzuckte sie, als ihr aufging, dass ihn das auch von ihr trennte. Aber der Stolz, den sie für ihn empfand, überwog dieses Bedauern. Das hatte ihr Vater in ihm gesehen. Brashen hatte alle Erwartungen gerechtfertigt, die Ephron Vestrit in ihn gesetzt hatte.
Einen Moment sah er sie schweigend an, als könnte er ihre Gedanken lesen. Dann deutete er auf die Leinwandfetzen auf dem Tisch. »Althea. Du warst schon immer geschickter mit der Feder als ich. Das sind nur rohe Skizzen. Ich möchte, dass du saubere Kopien davon machst. Es sind Pläne von den Piratenhäfen, die ich auf der Springeve besucht habe. Wir suchen zuerst in Divvytown nach der Viviace , aber ich bezweifle, dass wir so viel Glück haben, sie dort zu erwischen. Diese Kartenfetzen kommen uns vielleicht ganz gelegen. Wenn du Vorschläge hast, können wir sie besprechen. Wenn die Karten fertig sind, müssen wir Lavoy ebenfalls darin einweihen. Er kann zwar nicht lesen, aber er hat ein ausgezeichnetes Gedächtnis. Es ist sehr wichtig, dieses Wissen unter uns zu teilen.«
Seine unausgesprochenen Worte ließen ihr einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Er dachte offenbar daran, was das Beste für Schiff und Mannschaft war, wenn er sterben sollte. Daran hatte sie gar nicht denken mögen. Er jedoch vermied es nicht. Auch das gehörte dazu, ein Kommando zu führen. Er schob ihr die Leinwandfetzen zu, und sie blätterte sie durch. Als er Amber ansprach, richtete Althea ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihn.
»Amber. Du warst gestern Nacht über Bord des Schiffes. Paragon hat dich festgehalten. Ich habe eure Stimmen gehört.«
»Das stimmt«, erwiderte Amber gleichmütig.
»Und was hast du getan?«
Die Schiffszimmerin wirkte nervös. »Ich habe experimentiert.«
Brashen stieß die Luft durch die Nase. »Ich habe mir dieses Verhalten von Lavoy nicht gefallen lassen. Wie kommst du darauf, dass ich bei dir eine Ausnahme machen würde?« Freundlicher fuhr er fort: »Wenn es auf dem Schiff passiert, und ich glaube, dass es mich etwas angeht, erfahre ich es. Also sag es mir.«
Amber senkte den Blick und betrachtete ihre behandschuhten Hände. »Wir haben schon darüber gesprochen, bevor wir Bingtown verlassen haben. Paragon weiß von der Arbeit, die ich an der Ophelia ausgeführt habe. Er nimmt an, dass ich ihm sein Augenlicht wiedergeben könnte, da ich ja auch ihre Hände erneuert habe.« Amber leckte sich über die Lippen. »Ich hege da allerdings meine Zweifel.«
»Ich auch«, erwiderte Brashen gefährlich leise. »Was du übrigens sehr genau weißt. Bevor wir Anker gelichtet haben, sagte ich dir, dass wir keine Zeit für riskante Experimente haben, was Schnitzereien mit Hexenholz angeht. Ein Versagen, das ihn enttäuscht, könnte uns alle in Gefahr bringen.«
Amber machte keinen Hehl aus ihrem Ärger.
»Ich weiß, was du denkst«, erklärte ihr Brashen. »Aber das ist nichts, was nur euch beide angeht. Es hat Auswirkungen auf uns alle.«
Sie holte tief Luft. »Ich habe seine Augen nicht berührt,
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