Zauberschiffe 04 - Die Stunde des Piraten
nachdem ich präsentiert worden bin.« Plötzlich sah sie Malta mit großen Augen an. »Ich hatte gestern Nacht einen schrecklichen Traum. Ich habe geträumt, dass in dem Moment, in dem ich angekündigt wurde und meinen Knicks machte, die Nähte an meinem Kleid platzten und meine Röcke herunterfielen. Ich bin schreiend aufgewacht. Kannst du dir einen schlimmeren Traum vorstellen?«
Malta lief es eiskalt über den Rücken. Einen Moment verblassten das Strahlen des Balles und die sanften Klänge der Musik. Sie biss die Zähne zusammen und wehrte sich gegen die aufkeimende Düsternis. »Und ob ich das kann. Aber sieh nur, die Diener an den Erfrischungsbuffets sind so weit. Komm, wir holen uns etwas zu essen, damit du den Bär in deinem Magen zum Schweigen bringst.«
Davad Restate wischte sich die feuchten Handflächen an den Knien seiner Hose ab. Wer hätte das gedacht? Hier war er, auf dem Weg zum Sommerball, wie schon seit so vielen Jahren. Doch diesmal war er nicht allein, o nein. Nicht dieses Jahr. Ihm gegenüber in seiner Kutsche saß der Satrap von Jamaillia und neben ihm dessen entzückende Gefährtin Kekki in einem atemberaubenden Gewand aus hauchdünner Spitze und Federn. Neben ihm saß die weniger extravagante, aber trotzdem bedeutende Herzensgefährtin Serilla. Sie trug ein bescheidenes, cremefarbenes Kleid. Er würde sie zum Ball begleiten, mit ihnen an einem Tisch sitzen und sie heute Abend der feinen Gesellschaft von Bingtown vorstellen. Ja.
Er würde es ihnen allen zeigen.
Wenn nur sein geliebtes Weib diesen Triumph noch hätte erleben können.
Der Gedanke an Dorill warf einen kleinen Schalten auf seinen Sieg. Sie und seine Söhne waren vor Jahren hinweggerafft worden, als die Händler der Regenwildnis die Blutpest den Fluss hinuntergebracht hatten. Damals waren viele Bingtowner gestorben, so entsetzlich viele. Die Pest hatte ihn, Davad, aus einer beinahe grausamen Laune heraus verschont. Sie hatte ihn gezwungen, allein zu leben, nur noch mit den Geistern seiner Familie reden zu können und sich immer vorstellen zu müssen, was sie sagen würden, was sie von all dem halten würden, was er jeden Tag tat. Davad holte tief Luft und versuchte, sich wieder an der Genugtuung des Augenblicks zu weiden. Dorill wäre erfreut und stolz auf ihn. Davon war er überzeugt.
Die anderen Bingtown-Händler würden zugeben müssen, dass er ein außerordentlich intelligenter und vorausschauender Händler war. Der Satrap höchstpersönlich würde mit ihnen dinieren, und sie würden sich an alles erinnern, was Jamaillia- Stadt und dessen vornehme Gesellschaft für Bingtown bedeuteten. In den folgenden Wochen würde er nicht von der Seite des Satrapen weichen, während der Regent und seine Gefährtinnen die Kluft schlossen, die zwischen den Alten und den Neuen Händlern klaffte. Davad konnte sich nicht einmal im Entferntesten die geschäftlichen Vorteile ausmalen, die ihm das einbringen würde. Ganz zu schweigen davon, dass er endlich seinen sozialen Rang unter den Bingtown-Händlern wieder einnehmen würde. Sie mussten ihn wieder in ihrer Mitte willkommen heißen und zugeben, dass er alles in allem die Lage besser beurteilt hatte als sie.
Davad lächelte, als er sich den Schlusspunkt für seine Pläne heute Abend überlegte. So entzückend Kekki und Serilla auch waren, im Vergleich zu Malta Vestrit verblassten beide Frauen. Sie waren sicher hervorragend als Gefährtinnen, als Ratgeberinnen und Intellektuelle. Aber heute Abend wollte Davad dem Satrapen seine zukünftige Gemahlin vorstellen. Er war fest davon überzeugt, dass der junge Mann von Malta hingerissen sein würde. Beinahe konnte sich Davad schon die Festlichkeiten für ihre Hochzeit ausmalen. Es würde zwei Zeremonien geben, eine in Bingtown und eine zweite, selbstverständlich viel prunkvollere in Jamaillia-Stadt. Und ganz gewiss würde er an beiden teilnehmen dürfen. Damit würde er den Vestrits ihr Vermögen wiederbeschaffen und in Ronicas Gunst steigen. Zudem würde diese Hochzeit Bingtown und Jamaillia-Stadt für immer miteinander verbinden. Und für alle Zeiten würde man sich an Davad Restate als den Mann erinnern, der die beiden Städte ausgesöhnt hatte. Wer weiß, in einigen Jahren würden ihn die Kinder des Satrapen sogar Onkel Davad nennen.
Er lachte leise, hingerissen von dem glorreichen Verlauf, den seine Zukunft nehmen würde. Dann bemerkte er, dass Gefährtin Serilla ihn verlegen ansah. Eine Woge des Mitgefühls für die Frau überkam ihn.
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