Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt
Vogels mit ausgebreiteten Schwingen überdeckt worden.
»Geht jetzt!« Ambers Worte waren deutlich zu hören und wirkten merkwürdig zwingend. »Ihr könnt hier nicht gewinnen.
Eure Freunde haben euch im Stich gelassen. Versucht nicht, ein Schiff zu nehmen, das ihr nicht halten könnt. Flieht jetzt, solange ihr noch könnt. Selbst wenn ihr uns töten würdet, könntet ihr das Lebensschiff nicht gegen Paragons Willen besetzen. Er würde euch umbringen.«
»Du lügst! Kennit hat ein Lebensschiff gekapert, und er lebt immer noch!«, erklärte einer der Männer.
Die Galionsfigur lachte dröhnend. Die Entermannschaft an Deck konnte Paragon zwar nicht sehen, aber sie konnten ihn hören. Und sie spürten, wie das Deck zitterte, als er wild mit den Armen herumfuchtelte. »O ja, tut das, bitte. Kommt an Bord, meine süßen kleinen Fischchen. Kommt her, und findet euren Tod in mir!«
Der Wahnsinn des Schiffes lag deutlich in der Luft, wie ein Duft, den man nicht abschütteln konnte. Er schien sie alle mit seinen klammen Händen zu berühren. Althea wurde blass, und Amber sah elend aus. Das wilde Lächeln verschwand von Lops Miene, und nur der blanke Wahn blieb in seinem Blick zurück.
»Ich verschwinde«, erklärte einer der Piraten. Im nächsten Moment war er über die Reling geklettert und rutschte das Seil hinunter. Ein anderer folgte ihm wortlos. »Bleibt hier!«, brüllte der Anführer, aber seine Männer achteten nicht auf ihn. Sie flohen über die Reling wie erschreckte Katzen. »Verflucht sollt ihr sein! Ihr alle!«, stieß der Mann hervor. Er drehte sich zum Seil um, aber Althea näherte sich ihm mit drohend erhobener Klinge. Seine Leute drängten ihn zur Eile, weil sie wegpullten.
»Den hier behalten wir«, erklärte Althea plötzlich. »Dann können wir ihn fragen, was er über Kennit weiß! Amber, wirf den Enterhaken über Bord. Lop, hilf mir, ihn festzuhalten!«
Lops Vorstellung von Festhalten bestand darin, seinen Stock in einem mörderischen Bogen zu schwingen, der dicht an Ambers Kopf vorbeizischte, bevor er mit einem scharfen Knall auf dem Schädel des Piraten landete. Der Tätowierte stürzte wie vom Blitz gefällt zu Boden, und Lop führte einen wilden Siegestanz auf. »Ich hab ihn, he, ich hab einen erwischt!«
Bleib in Sicherheit! Die Worte stachen wie Widerhaken in Altheas Kopf. Selbst als sie routiniert dafür sorgte, Ruhe und Ordnung auf dem Deck wiederherzustellen, wurmten sie diese Worte enorm. Trotz allem hielt Brashen sie immer noch für eine verletzliche Frau, die vor jeder Unbill geschützt werden musste. Bleib in Sicherheit, hatte er ihr gesagt, und dann hatte er ihre Aufgabe selbst erledigt, den Haken losgerissen, der ihren Bemühungen getrotzt hatte. Er hatte sie gedemütigt, indem er ihr zeigte, dass sie unzuverlässig war. Unfähig. Und Clef hatte alles mit angesehen!
Nicht, dass sie sich nach Kämpfen und Töten sehnte. Als die Piraten an der Seite des Schiffes hochgeklettert waren, hatte sie sich vor Angst vollkommen verspannt. Trotzdem hatte sie weitergemacht. Sie war nicht wie angewurzelt erstarrt, hatte nicht geschrieen oder war geflohen. Sie hatte ihr Bestes gegeben, um ihre Pflicht zu erfüllen. Aber das war nicht genug gewesen. Sie wollte, dass Brashen sie als kompetenten Seemann und Schiffsoffizier akzeptierte. Er hatte deutlich gemacht, dass er das nicht tat.
Sie verließ das Deck und kletterte in die Wanten. Nicht nur, um nach Verfolgern Ausschau zu halten, sondern auch, um einen Moment Ruhe zu haben und allein zu sein. Als sie das letzte Mal so wütend gewesen war, hatte Kyle dieses Gefühl ausgelöst. Althea mochte kaum glauben, dass Brashen sie genauso hart treffen konnte. Einen Moment lehnte sie die Stirn an das summende Tau und schloss die Augen. Sie hatte gedacht, dass Brashen sie respektierte, mehr noch, dass sie ihm wichtig war. Und jetzt das. Jetzt war es noch bitterer, dass sie so sorgfältig Distanz zu ihm gewahrt hatte, wo sie ihm doch eigentlich hatte nah sein wollen. Und das nur, um sich als unabhängig und stark zu beweisen. Für sie war nun alles in Frage gestellt.
Sie konnte sich ihm nicht als Frau nähern, die ihn begehrte, und auch nicht als Schiffskameradin, die Respekt verdiente.
Was bedeutete sie ihm dann? War sie nur eine Last? Eine unerwünschte Verantwortung? Als sie angegriffen wurden, hatte er sie nicht wie einen Kameraden behandelt, der ihm helfen konnte, sondern wie jemanden, den er beschützen musste, während er gleichzeitig sein Schiff
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