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Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt

Titel: Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Kopf und starrte sie mit seinen leeren Augenhöhlen an. Er ballte die Fäuste und drückte sie an seine Brust, als könnte er so seine Tat verbergen. Seine Stimme war die eines verängstigten, trotzigen Jungen. »Ich habe ihn zum Reden gebracht. Divvytown. Wir finden Kennit in Divvytown.
    Er mochte Divvytown schon immer.« Er runzelte die Stirn, als ihm nur Schweigen von den Leuten entgegenschlug, die sich auf dem Vordeck versammelt hatten. »Nun, das wolltet ihr doch, oder? Ihr wolltet herausfinden, wo Kennit ist. Mehr habe ich nicht getan. Ich habe ihn zum Reden gebracht.«
    »Das hast du, mein Junge«, bemerkte Lavoy. Selbst er schien vom Verhalten Paragons eingeschüchtert zu sein. Bedächtig schüttelte er den Kopf. »Ich hätte nicht gedacht, dass er es tut«, sagte er leise, damit nur die Menschen es hören konnten.
    »Doch, das habt Ihr«, widersprach Amber ihm kühl. Aber der Blick, den sie Lavoy zuwarf, glühte. »Deshalb habt Ihr den Mann in Paragons Reichweite gebracht. Damit er ihn packen kann. Ihr wolltet, dass er starb, wie die anderen Gefangenen auch.« Amber sah die Tätowierten in der Mannschaft an, die schweigend dastanden. »Und ihr habt mitgemacht. Ihr wusstet, was er vorhatte, aber ihr habt nichts dagegen unternommen.
    Das hat er in euch hervorgebracht. Das Schlimmste, was Sklaverei euch antun konnte.« Sie sah wieder den Maat an. »Ihr seid ein Monster, Lavoy! Nicht nur wegen dem, was Ihr diesem Mann angetan habt, sondern auch wegen dem, was Ihr in dem Schiff geweckt habt. Ihr versucht, ihn zu einem ebensolchen Rohling zu machen, wie Ihr einer seid.«
    Paragon riss bei Ambers Worten sein verunstaltetes Gesicht herum und blickte aufs Meer hinaus. »Also magst du mich nicht mehr! Na gut, mir macht das nichts aus. Wenn ich schwach sein muss, damit du mich magst, brauche ich deine Zuneigung nicht!« Althea war vor Entsetzen wie gelähmt. Was war das für ein Schiff, das derartig kindisch reagieren konnte, nachdem es einen Mann brutal umgebracht hatte?
    Amber antwortete nicht. Stattdessen sank sie langsam auf die Knie, bis sie mit der Stirn ihre Hände berührte, die die Reling umklammerten. Althea wusste nicht, ob Amber trauerte oder betete. Sie klammerte sich so fest an das Hexenholz, als könnte sie hineinströmen.
    »Ich habe gar nichts getan!«, protestierte Lavoy. Es klang feige, und er sah die Tätowierten an, während er sprach. »Alle haben gesehen, was passiert ist. Ich habe nichts gemacht. Das Schiff hat die Sache selbst in die Hand genommen, in jeder Hinsicht!«
    »Haltet den Mund!«, befahl Brashen. Das galt allen. »Haltet einfach den Mund.« Er drehte sich rasch um und ließ seinen Blick über die Mannschaft gleiten, die sich dort schweigend versammelt hatte. Clef war kalkweiß im Gesicht, und in seinen Augen standen Tränen.
    Als Brashen weitersprach, klang seine Stimme vollkommen emotionslos. »Wir segeln nach Divvytown, so schnell wir können. Die Arbeit dieser Mannschaft während des Angriffs war abgrundtief schlecht. Ich setze zusätzliche Ausbildungsstunden an, und zwar für die Offiziere und die Mannschaft. Ich will, dass jeder Mann seinen Platz und seine Pflicht kennt und sofort und fähig reagiert.« Er musterte seine Leute erneut. Er sieht viel älter und erschöpfter aus als vorher, dachte Althea. Und er kehrte der Galionsfigur den Rücken zu.
    »Paragon, deine Strafe für deinen Ungehorsam meinen Befehlen gegenüber ist Isolation. Niemand spricht mit dem Schiff ohne meinen ausdrücklichen Befehl. Niemand!«, wiederholte er energisch, als Amber protestieren wollte. »Niemand betritt dieses Vordeck, außer wenn seine Pflicht es verlangt. Und jetzt runter, alle, und auf eure Posten. Sofort.«
    Brashen blieb schweigend auf dem Vordeck stehen, während seine Mannschaft still auseinander ging. Althea entfernte sich ebenfalls. Sie erkannte Brashen nicht wieder. Wie konnte er das alles geschehen lassen? Sah er denn nicht, was Lavoy war und was er dem Schiff antat?
    Brashen war verletzt. Es war nicht nur der lange Schnitt an seinen Rippen, obwohl der entsetzlich brannte. Sein Kiefer, sein Rücken und sein Bauch schmerzten vor Anspannung.
    Selbst sein Gesicht tat weh, aber er hatte vergessen, wie er diese Muskeln entspannen konnte. Althea hatte ihn absolut verächtlich angesehen, und er hatte keinen Schimmer, warum.
    Sein Lebensschiff, sein Stolz, hatte mit einer bestialischen Wildheit getötet, die ihn krank machte. Er hatte das Schiff einer solchen Tat nicht für fähig gehalten.

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