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Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt

Titel: Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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es ihm jetzt versprach, machte ihm klar, dass das Schiff durchaus dazu in der Lage gewesen wäre. Und immer noch fähig war, wenn er sein Wort brach. Nach einem Moment antwortete Brashen tonlos: »Natürlich hilft mir das. Danke, Paragon.« Er drehte sich wieder um.
    »Warte!«, rief Paragon ihm zu. »Dürfen die anderen jetzt wieder mit mir reden?«
    Er konnte fast fühlen, wie der Mann ein Seufzen unterdrückte. »Natürlich. Es ist ziemlich sinnlos, dir das zu verweigern.«
    Paragon war verbittert. Er hatte Brashen mit seinem Versprechen trösten wollen, doch dieser hatte sich wohl in den Kopf gesetzt, sich deswegen zu quälen. Menschen! Sie waren nie zufrieden, ganz gleich, was man für sie opferte. Wenn Brashen von ihm enttäuscht war, dann lag das allein an ihm selbst. Warum war ihm denn nicht klar, dass die ersten, die man töten musste, diejenigen waren, die einem am nächsten standen? Die, die man am besten kannte? Es war der einzige Weg, Bedrohungen gegen einen selbst aus dem Weg zu räumen. Welchen Sinn machte es, einen Fremden umzubringen? Fremde hatten wenig Interesse daran, einen zu verletzen. Darauf verstanden die eigene Familie und Freunde sich viel besser.
    Der Regen schmeckte nach Winter. Er prasselte auf Tintaglias ausgestreckte Schwingen. Sie schlugen gleichmäßig, während sie den Regenwildfluss stromaufwärts flog. Sie würde bald Beute schlagen und fressen müssen, aber der Regen hatte das Wild in den Schutz der Bäume getrieben. Es war schwierig für die Drachenkönigin, an den sumpfigen Ufern entlang des Regenwildflusses zu jagen. Selbst an einem trockenen Tag konnte sie dort leicht im Schlamm versinken. Das wollte sie nicht riskieren.
    Der kalte graue Tag passte gut zu ihrer Stimmung. Ihre Suche auf dem Meer war erfolglos geblieben. Zwar hatte sie zweimal Seeschlangen erspäht, aber als sie hinuntergeflogen war und ihnen ihr Willkommen zutrompetet hatte, waren sie in die Tiefe des Meeres abgetaucht. Beide Male war sie lange über die Stelle gekreist, hatte trompetet und sogar gebrüllt, dass die Seeschlangen zurückkommen sollten, aber alle Mühe war vergeblich gewesen. Es war, als würden die Schlangen sie nicht erkennen. Der Gedanke erschütterte sie, dass ihre Spezies zwar überlebt hatte, aber sie nicht mehr als ihresgleichen erkannte.
    Ein schreckliches Gefühl von Sinnlosigkeit war in ihr gewachsen, und es verband sich mit ihrem ständigen Hunger zu einem immer glühenderen Zorn. Die Jagd an der Küste hatte wenig gebracht. Die wandernden Seesäuger, die eigentlich die Ufer bevölkern sollten, waren einfach nicht da. Allerdings überraschte das Tintaglia kaum, weil der Verlauf der Küste auch nicht mehr so war, wie sie ihn von früher kannte.
    Ihr Erinnerungsvermögen machte ihr klar, wie sehr sich die Welt verändert hatte, seit ihre Art das letzte Mal durch die Lüfte geflogen war. Die ganze Küstenregion dieses Kontinents war versunken. Aus der Gebirgskette, die sich einst vor den langen Sandstränden erhoben hatte, war jetzt eine Reihe von Inseln geworden. Auf den fruchtbaren Ebenen des Inlandes hatten sich früher Herden von Beutetieren getummelt. Jetzt erstreckte sich dort der weite Sumpf des Regenwildwaldes. Die schäumende Innere Passage, einst ein abgetrennter Inlandsee, floss jetzt in einer Vielzahl von Strömen, die sich durch ein riesiges Gebiet aus Weideland schlängelten, dem Meer entgegen.
    Nichts war, wie es sein sollte. Deshalb durfte es sie eigentlich nicht überraschen, dass ihre eigene Art sie nicht erkannte.
    Die Menschen dagegen hatten sich vermehrt wie Schmeißfliegen auf einem toten Kaninchen. Ihre schmutzigen, stinkenden Siedlungen bedeckten die ganze Welt. Tintaglia hatte die winzigen Ortschaften auf den Inseln und ihre Hafenstädte gesehen, als sie nach den Seeschlangen gesucht hatte. In einer sternenklaren Nacht war sie hoch über Bingtown hinweggeflogen. Die Stadt war ein dunkler Fleck, der mit Lichtpünktchen gespickt war. Trehaug war kaum mehr als ein Haufen Eichhörnchennester, die durch Spinnweben verbunden waren. Unwillig musste sie sich eingestehen, dass sie die Fähigkeit der Menschen bewunderte, sich überall dort ein Heim zu errichten, wo sie wollten – auch wenn sie Kreaturen eigentlich verachtete, die nicht ohne künstliche Hilfsmittel zurechtkamen. Die Altvorderen hatten wenigstens prächtig gebaut. Als sie sich deren elegante Architektur vorstellte, die majestätischen, einladenden Städte, die jetzt zu Ruinen geworden waren, entsetzte sie

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