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Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt

Titel: Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Wintrow rang darum, aufzuwachen, aber je mehr er sich bemühte, desto weiter wich die Welt zurück. Erschöpft hielt er schließlich inne.
    Einzelne tastende Tentakel des Bewusstseins erreichten ihn.
    Von Kennits Hand strömte Wärme aus. Sie durchdrang seine Haut und sickerte tiefer in seinen Körper hinein. Kennit redete leise, um ihn aufzumuntern. Die Feuer von Wintrows Lebenskraft flammten plötzlich auf. Auf sein Bewusstsein wirkte es wie eine Kerze, die sich plötzlich in einen lodernden Scheiterhaufen verwandelt. Er begann zu keuchen, als renne er einen Hügel hinauf. Sein Herz hämmerte. Hör auf!, wollte er Kennit zurufen, bitte, hör auf! Aber kein Wort drang über seine Lippen. Er schrie diesen Wunsch stumm in die Dunkelheit hinaus, die ihn umgab.
    Aber er konnte hören. Er nahm die erschreckten Rufe der Matrosen wahr, die ihn von außen beobachteten. Einige Stimmen erkannte er. »Seht nur! Man kann zusehen, wie er sich verändert!«
    »Sogar sein Haar wächst!«
    »Ein Wunder! Der Kapitän heilt ihn!«
    Seine Kraftreserven wurden rücksichtslos aufgebraucht, und er spürte, dass Jahre seines Lebens von dieser Handlung vernichtet wurden. Aber er konnte sich nicht dagegen wehren. Die Haut, die sich erneuerte, juckte heftig, aber er konnte keinen Muskel rühren. Er hatte keinerlei Kontrolle mehr über seinen Körper. Er stieß ein Wimmern aus, weit hinten in seinem Hals.
    Es wurde ignoriert. Die Heilung verzehrte ihn von innen nach außen. Sie brachte ihn um. Die Welt verschwand. Er strömte zurück in die Finsternis.
    Nach einer Weile merkte er, dass Kennits Hände fort waren.
    Das schmerzhafte Hämmern seines Herzens ließ nach. Jemand sprach aus weiter Ferne zu ihm. Kennits Stimme zitterte vor Stolz und Erschöpfung.
    »So. Lasst ihn jetzt ruhen. In den nächsten paar Tagen wird er vermutlich nur aufwachen, um zu essen, und dann wieder tief weiterschlafen. Das muss niemanden beunruhigen. Es ist ein notwendiger Teil der Heilung.« Er hörte das schwere Atmen des Piraten. »Ich muss mich ebenfalls ausruhen. Das hat mich eine Menge Kraft gekostet, aber er hat es verdient.«
    Es war früher Abend, als Kennit aufwachte. Eine Weile lag er da und genoss seine Hochstimmung. Der Schlaf hatte ihn vollkommen wiederhergestellt. Wintrow war geheilt, durch seine Hände. Er hatte sich noch nie so mächtig gefühlt wie in dem Moment, als er seine Hände auf Wintrow gelegt und durch seinen Willen die Haut des Jungen geheilt hatte. Diejenigen aus seiner Mannschaft, die das mit angesehen hatten, betrachteten ihn mit noch größerer Ehrfurcht als zuvor. Die gesamte Küste der Verwunschenen Ufer lag da und wartete darauf, dass er sie pflückte. Die schöne Etta strahlte vor Liebe und Bewunderung für ihn. Als er die Augen öffnete und das Amulett ansah, das er um sein Handgelenk trug, sah er, wie selbst dieses kleine Angesicht ihm wölfisch zugrinste. In diesem Augenblick war seine Welt perfekt.
    »Ich bin glücklich«, sagte Kennit laut und grinste, als er sich diese ungewohnten Worte sagen hörte.
    Der Wind frischte auf. Er lauschte ihm, während er an den Segeln des Schiffes vorbeipfiff, und dachte nach. Er hatte kein Zeichen für einen Sturm gesehen. Und das Schiff rollte und schwankte auch nicht wie sonst bei schwerer See. Hatte der Drache etwa auch die Macht, einem Sturm gebieten zu können?
    Er stand hastig auf, packte seine Krücke und trat an Deck.
    Der Wind, der ihm durchs Haar strich, war angenehm und stetig. Keine Sturmwolken drohten, und die Wellen waren rhythmisch und flach. Doch noch während er sich umsah, drang erneut das Geräusch eines auffrischenden Windes an sein Ohr. Er eilte auf die Quelle zu.
    Zu seinem Erstaunen stand die ganze Mannschaft auf dem Vordeck. Sie machten ihm in ehrfürchtigem Schweigen Platz.
    Er hastete die Leiter zum Vordeck hinauf. Als er sich aufrichtete, hörte er das Geräusch erneut. Und diesmal sah er auch, woher es kam.
    Blitz sang. Er konnte ihr Gesicht nicht erkennen. Sie hatte den Kopf zurückgeworfen, sodass ihre langen Haare über ihre Schultern fielen. Das Silber und das Blau seines Geschenks glänzten unter ihren wallenden schwarzen Locken. Sie sang mit einer Stimme, die wie eine Windbö klang, und dann wie Wellen, die vom Wind gepeitscht wurden. Ihre Stimme reichte von einem tiefen Sturm bis hin zu einem hohen Pfeifen, das menschliche Stimmbänder oder Lippen niemals hätten hervorbringen können. Es war, als wäre dem Lied des Windes eine Stimme verliehen worden, und es

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