Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt

Titel: Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
entzückender Drache werden. Du wirst ein Herr der Drei Reiche sein, das verspreche ich dir.«
    Die Schlange klappte die Lider vor ihre glanzlosen Augen und öffnete sie dann wieder. Tintaglia erkannte das Misstrauen, das mit der Verzweiflung rang. »Tieferes Wasser«, flehte die Schlange.
    »Ja.« Tintaglia hob den Kopf und sah sich um. Aber es gab kein tieferes Wasser, es sei denn, sie hätte die Kreatur flussabwärts getragen. Aber dort würde sie keine Nahrung finden und auch keinen Platz, an dem sie ihren Kokon herstellen konnte.
    Die Stadt Trehaug markierte den ersten Kokongrund. Er war jedoch von dem steigenden Wasserspiegel verschluckt worden.
    Es gab noch eine Stadt, weiter stromaufwärts. Aber der Fluss hatte sein Bett verändert und verlief jetzt flach über steinigen Grund an den Ufern vorbei, die früher einmal von üppigem, silbrigem Schlamm bedeckt gewesen waren. Wie sollte sie der Schlange helfen, dorthin zu gelangen? Selbst wenn sie dort ankam: Wie sollte sie Schlamm und Wasser zu der Seeschlange bringen, damit diese daraus den Kokon bilden konnte?
    Die Schlange hob müde den Kopf und trompetete leise und verzweifelt. Tintaglia musste einfach handeln, sie konnte nicht anders. Sie hatte zwei Menschen mühelos angehoben und weggetragen, aber die Seeschlange wog beinahe genauso viel wie die Drachenkönigin. Als Tintaglia versuchte, sie in das etwas tiefere Wasser neben dem Flussufer zu ziehen, verletzten ihre Krallen die weiche Haut des Geschöpfs und drangen tief in das weiche Fleisch ein. Die Kreatur schrie und schlug wild um sich. Ein Hieb ihres peitschenden Schwanzes ließ Tintaglia taumeln. Sie bewahrte nur das Gleichgewicht, indem sie sich auf alle vier Beine fallen ließ. Dabei trat sie auf etwas Hartes, Rundes im Flussbett. Es zerbrach unter ihrem Gewicht. Einem Impuls folgend hakte sie eine Kralle darunter und zog es aus dem Wasser.
    Es war ein Schädel. Ein Schlangenschädel. Das ätzende Flusswasser hatte den Knochen spröde gemacht. Er zerbröselte in ihren Klauen. Es zerriss ihr fast das Herz, als sie das flache Wasser absuchte. Hier lagen drei dicke Wirbelsäulen, die immer noch miteinander verschlungen waren. Da drüben noch ein Schädel. Sie grub den Boden mit ihren Krallen auf und förderte Rippen und ein Kiefergelenk zu Tage, alle in verschiedenen Phasen der Verwesung. An einigen Knochen hing noch Knorpel, andere waren von den ätzenden Fluten blank poliert worden. Hier lagen die Knochen ihrer Spezies. Diejenigen, die es geschafft hatten, sich überhaupt an ihre ehemalige Wanderroute zu erinnern, waren auf dieses letzte Hindernis gestoßen und daran zugrunde gegangen.
    Die hilflose Schlange lag jetzt auf der Seite und zischte vor Schmerzen, die wenigen Tropfen Gift, die sie aus ihrer Mähne herauspressen konnte, liefen ihr in die Augen. Tintaglia schritt zu ihr hinüber und starrte auf sie hinunter. Das Geschöpf klappte kurz die Lider vor die Augen. Dann stieß es ein einziges Wort hervor.
    »Bitte.«
    Tintaglia warf den Kopf zurück und trompetete ihren Schmerz und ihre Wut heraus. Sie ließ ihrem Zorn freien Lauf.
    Er rötete ihre Augen und trübte ihren Geist. Schließlich erfüllte sie der Schlange ihren Wunsch. Sie packte mit ihren gewaltigen Kiefern das Geschöpf direkt hinter der Mähne, aus der das Gift tropfte. Mit einem einzigen heftigen Biss zertrennte sie das Rückgrat. Die Schlange zitterte, und ihr Schwanz peitschte das Wasser auf. Die Drachenkönigin blieb über ihr stehen, während sie starb. Ihre Augen drehten sich noch ein letztes Mal, und sie öffnete krampfhaft ihre Kiefer. Dann war sie still.
    Das Blut der Schlange schmeckte scharf und giftig, und das schwache Gift brannte auf Tintaglias Zunge. In diesem Moment kannte sie das ganze Leben dieser Schlange. Sie war einen Moment sie und zitterte vor Erschöpfung und Schmerz.
    Aber über allem lag die Verwirrung. Als Tintaglia sich wieder gefasst hatte, bebte sie, als sie über die Sinnlosigkeit des Lebens dieser Seeschlange nachdachte. Immer und immer wieder hatte ihr Körper auf die Zeichen reagiert, die ihr befohlen hatten, zu wandern und sich zu verändern. Sie konnte nicht ermessen, wie oft diese bedauernswerte Kreatur die reichhaltigen Nahrungsgründe des Südens verlassen hatte und nach Norden gezogen war.
    Während sie ihr Fleisch verzehrte, wurde Tintaglia jedoch alles klar. Die Erinnerungen dieser männlichen Schlange fügten sich den ihren hinzu. Würde sich die Welt noch so drehen, wie sie sollte, hätte

Weitere Kostenlose Bücher