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Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt

Titel: Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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dem Glauben gewandelt, dass Sa Kennit dazu bestimmt hatte, ein großes Schicksal zu erfüllen. Sie hatte vermutet, dass Kennit mit der Leichtgläubigkeit des Jungen spielte und Wintrow in seinen einfachen Überzeugungen ermutigte, damit er ihn zu seinen Bewunderern zählen konnte. Auch wenn sie Kennit liebte, glaubte sie, dass er zu einer solchen Täuschung fähig war. Sie dachte nicht geringer von ihrem Mann, wenn er bereit war, alles zu tun, was nötig war, um sein Ziel zu erreichen.
    Das alles war jedoch gewesen, bevor sie mit angesehen hatte, wie Kennit Hände und Stimme hob, einen Sturm beschwichtigte und einer Seeschlange Befehle erteilte. Seit diesem Moment hatte sie das Gefühl, der Mann, den sie liebte, sei ihr entrissen und ein anderer an seine Stelle gesetzt worden. Mit diesem Glauben war sie nicht allein. Die Mannschaft, die Kennit schon vorher bis in den Tod gefolgt wäre, verstummte jetzt, wenn er sich näherte, und kuschte unterwürfig. Kennit bemerkte es kaum. Das war das Unheimlichste daran. Er schien zu akzeptieren, was er getan hatte, und erwartete offenbar dasselbe von denen, die ihn umgaben. Er sprach mit ihr, als hätte sich nichts geändert. Schockierenderweise berührte er sie so, wie er es immer getan hatte. Dabei war sie es nicht wert, von einem solchen Wesen berührt zu werden. Aber sie wagte es auch nicht, sich ihm zu verweigern. Wer war sie, den Willen von jemandem wie ihm in Frage zu stellen?
    Doch was war er?
    Worte, die sie einst verhöhnt hätte, kamen ihr in den Sinn.
    Begnadet. Von Sa geliebt. Vorherbestimmt. Prophezeit. Vom Schicksal auserkoren. Sie wollte lachen und diese verrückten Gedanken einfach abtun, aber sie konnte es nicht. Von Anfang an war Kennit anders als alle Männer gewesen, die sie jemals kennen gelernt hatte. Keine der Regeln hatte jemals für ihn gegolten. Er hatte triumphiert, wo jeder andere gescheitert wä re, hatte das Unmögliche ohne jede Anstrengung bewerkstelligt. Die Aufgaben, die er sich setzte, verblüfften sie, die Größe seines Ehrgeizes erstaunte sie. Hatte er nicht ein Lebensschiff aus Bingtown gekapert? Welcher andere Mann hatte sich je vom Angriff einer Seeschlange erholt? Wer außer Kennit wäre in der Lage, die armseligen Dörfer der Pirateninseln dazu zu bringen, sich als Außenposten eines weit ausgedehnten Reiches anzusehen, als Kennits rechtmäßiges Königreich?
    Welcher Mann hegte solche Träume, ganz zu schweigen davon, dass er sie verwirklichte?
    Wenn Etta sich diese Fragen stellte, vermisste sie Wintrow noch mehr. Wenn er wach gewesen wäre, hätte er ihr geholfen zu verstehen. Auch wenn er jung war, hatte er doch beinahe sein ganzes Leben in einem Kloster verbracht. Als sie ihn kennen lernte, hatte sie ihn wegen seiner Bildung und seiner Manieren gering geschätzt. Jetzt wünschte sie, sie könnte sich mit ihren Unsicherheiten an ihn wenden. Worte wie Bestimmung, Schicksal und Omen kamen ihm ebenso leicht über die Lippen wie ihr Flüche. Und bei ihm kamen ihr diese Worte glaubwürdig vor.
    Gedankenverloren spielte sie mit dem kleinen Beutel, der an einem Band um ihren Hals hing. Sie öffnete ihn mit einem Seufzen und nahm das winzige Püppchen heraus. Sie hatte es zusammen mit einer Menge Sand und Muscheln in ihrem Stiefel gefunden, als sie von Anderland geflohen waren. Als sie Kennit gefragt hatte, was ein solches Omen vom Strand der Schätze bedeutete, hatte er geantwortet, dass sie es doch längst wüsste. Die Antwort hatte sie mehr verängstigt, als jede entsetzliche Prophezeiung es vermocht hätte.
    »Aber ich weiß es ehrlich gesagt nicht«, vertraute sie Wintrow an. Die kleine Figur füllte gerade ihre Handfläche.
    Sie fühlte sich wie Elfenbein an, aber ihre Farbe entsprach genau dem Rosa von Babyhaut. Das zusammengerollte, schlafende Kind hatte sogar perfekt geschnitzte Wimpern, Ohren wie winzige Seemuscheln und einen Reptilienschwanz, den es um sich herumgerollt hatte. Es wurde rasch warm in ihrer Hand, und die glatten Konturen des winzigen Körpers forderten einen geradezu auf, ihn zu streicheln. Ihre Fingerspitzen fuhren das winzige Rückgrat entlang. »Es wirkt auf mich wie ein Baby.
    Aber was hat das für mich zu bedeuten?« Sie senkte die Stimme und sprach zutraulicher, als ob der Junge sie hören könnte.
    »Kennit hat einmal von einem Baby gesprochen, einmal. Er hat mich gefragt, ob ich ein Baby bekommen würde, wenn er das von mir verlangte. Ich habe ihm gesagt, selbstverständlich. Soll es das bedeuten? Wird

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