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Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt

Titel: Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Kennit mich fragen, ob ich sein Kind bekommen will?«
    Mit der Hand strich sie über ihren flachen Bauch. Unter dem Rock ertasteten ihre Finger den winzigen Klumpen. Es war ein Hexenholzamulett in der Form eines Totenkopfs, der durch ihren Nabel gebohrt war. Er schützte sie vor Krankheiten und Schwangerschaft. »Wintrow, ich habe Angst. Ich fürchte, ich kann solche Träume nicht erfüllen. Wenn ich nun versage?
    Was soll ich dann tun?«
    »Ich würde dich niemals um etwas bitten, das du nicht erfüllen könntest.«
    Etta schrie erschreckt auf und sprang hoch. Als sie herumwirbelte, sah sie Kennit in der offenen Tür stehen. Unwillkürlich schlug sie die Hand vor den Mund. »Ich habe Euch nicht gehört«, entschuldigte sie sich schuldbewusst.
    »Aber ich habe dich gehört. Ist unser Junge jetzt wach?
    Wintrow?« Kennit humpelte in den Raum und sah Wintrows regungslose Gestalt hoffnungsvoll an.
    »Nein. Er trinkt Wasser, aber ansonsten gibt es kein Anzeichen dafür, dass er sich erholt.« Etta blieb stehen.
    »Und trotzdem stellst du ihm solche Fragen?«, sagte Kennit nachdenklich und sah sie durchdringend an.
    »Ich kann solche Gedanken mit niemandem sonst teilen«, sagte sie. »Ich meinte…« Sie zögerte, aber Kennit brachte sie mit einer ungeduldigen Handbewegung zum Schweigen.
    »Ich weiß, was du gemeint hast«, erklärte er und ließ sich auf ihren Stuhl sinken. Als er seine Krücke losließ, fing sie sie auf, bevor sie zu Boden fallen konnte. Er beugte sich vor und betrachtete Wintrow genauer, wobei er die Stirn runzelte. Seine Finger berührten sanft, beinahe weiblich zart die geschwollenen Wangen des Jungen. »Ich vermisse seinen Rat ebenfalls.«
    Er strich über Wintrows struppiges Haar und zog die Hand rasch zurück, als er fühlte, wie rau es war. »Ich überlege, ob ich ihn nicht auf das Vordeck bringen sollte, zur Galionsfigur.
    Sie könnte seine Heilung vielleicht beschleunigen.«
    »Aber…« Etta biss sich auf die Zunge und senkte den Blick.
    »Du widersprichst? Warum?«
    »Ich wollte nicht…«
    »Etta!« Kennits laute Stimme ließ sie zusammenzucken. »Erspare mir dieses Winden. Wenn ich dir eine Frage stelle, dann möchte ich, dass du antwortest und nicht herumwimmerst. Warum willst du nicht, dass er dorthin gebracht wird?«
    Sie schluckte ihre Angst herunter. »Der Schorf über seinen Verbrennungen ist locker und nass. Wenn wir ihn bewegen, wird er vielleicht abgerieben und die Heilung damit verzögert.
    Der Wind und die Sonne könnten seine Haut noch mehr austrocknen.«
    Kennit sah nur den Jungen an, während er über ihre Worte nachzudenken schien. »Verstehe. Aber wir werden ihn vorsichtig bewegen und ihn nicht lange dort lassen. Das Schiff braucht die Gewissheit, dass er noch lebt, und ich glaube, er braucht Viviaces Stärke, damit er schneller gesund wird.«
    »Ich bin sicher, dass Ihr es besser wisst als ich…« Sie verstummte.
    »Ganz sicher tue ich das. Hol einige Leute, damit sie ihn dorthin bringen. Ich warte hier.«
    Wintrow schwamm tief in der Dunkelheit und der Wärme. Irgendwo, weit über ihm, lag eine Welt aus Licht und Schatten, aus Stimmen, Schmerzen und Berührungen. Er mied sie. Auf der anderen Ebene lauerte ein Wesen, das nach ihm griff, ihn mit seinem Namen rief und ihn mit Erinnerungen lockte. Ihm zu entgehen war schwierig, aber seine Entschlossenheit war stark. Wenn es ihn fand, würde es wehtun, und sie beide würden schrecklich enttäuscht werden. Solange er ein winziges Amorph blieb, das durch die Dunkelheit schwamm, konnte er das alles vermeiden.
    Etwas geschah mit seinem Körper. Er wappnete sich gegen die Schmerzen. Schmerz hatte die Macht, ihn zu packen und in seinem Griff zu halten. Der Schmerz konnte ihn vielleicht wieder in diese Welt hinaufziehen, wo er einen Körper und einen Geist und Erinnerungen hatte. Hier unten war es viel sicherer.
    So kommt es dir nur vor. Und während es eine lange Zeit so
    scheint, wirst du dich schließlich doch nach Licht und Bewegung sehnen, nach Geschmack, Geräuschen und Berührungen.
    Wenn du zu lange wartest, werden diese Dinge für dich vielleicht für immer verloren sein.
    Die Stimme dröhnte um ihn wie eine donnernde Brandung, die gegen Felsen schlug. Wie der Ozean selbst wirbelte die Stimme ihn herum und schien ihn von allen Seiten zu betrachten. Er versuchte vergeblich, sich davor zu verbergen. Sie kannte ihn. »Wer bist du?«, wollte er wissen.
    Die Stimme klang amüsiert.
    Wer ich bin? Du weißt, wer ich
    bin, Wintrow

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