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Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt

Titel: Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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alles akzeptieren, ein Zucken seines Augenlids, einen bebenden Nasenflügel. Aber nichts. Sie tauchte den Schwamm erneut ein. »Hier kommt mehr Wasser«, sagte sie und ließ erneut einige Tropfen in seinen Mund fallen. Wieder schluckte er.
    Etta gab ihm noch dreimal Wasser. Beim letzten Mal lief es seine bleiche Wange hinunter. Sie tupfte es sanft weg. Dabei löste sich ein Stück Haut mit ab. Dann lehnte sie sich auf ihrem Stuhl neben seiner Koje zurück und betrachtete ihn müde. Sie wusste nicht, ob sein Durst gestillt war oder ob er einfach zu erschöpft war, um noch mehr zu schlucken. Sie zählte auf, was sie tröstete: Er lebte. Er atmete. Er trank. Sie versuchte, daraus Hoffnung zu ziehen. Erneut tunkte sie den Schwamm in das kleine Wasserbecken. Einen Moment betrachtete sie ihre eigenen Hände. Sie hatte sie sich bei Wintrows Rettung ebenfalls verbrüht. Denn als sie ihn gepackt hatte, um ihn vor dem Ertrinken zu bewahren, hatte der Schleim der Seeschlange, der an seiner Kleidung haftete, rote glänzende Flecken auf ihrer Haut hinterlassen, die sowohl auf Hitze als auch auf Kälte empfindlich reagierten. Und diesen Schaden hatte der Schleim noch anrichten können, nachdem er seine schlimmste Wirkung schon auf Wintrows Kleidung und seiner Haut getan hatte.
    Seine Kleidung hatte nur noch aus winzigen Lumpen bestanden. Als das warme Wasser sie aufgelöst hatte, hatte der Schleim seine Haut verzehrt. Seine Hände hatten den größten Schaden davongetragen, aber einige Spritzer hatten auch sein Gesicht getroffen. Der Schleim hatte seinen Seemannszopf zerfressen und unregelmäßige Stränge von schwarzem Haar auf seinem Kopf hinterlassen. Sie hatte sein restliches Haar geschnitten, damit es nicht auf seinen Wunden scheuerte. Mit seinem fast kahlen Schädel sah er noch jünger aus, als er war.
    An einigen Stellen waren die Wunden kaum schlimmer als Sonnenbrand, an anderen jedoch lag rohes Fleisch direkt neben gebräunter und gesunder Haut. Sein Gesicht war bis zur Unkenntlichkeit angeschwollen, und seine Augen waren nur noch Schlitze unter den Brauen. Seine Finger waren so dick wie Würste. Sein Atem rasselte. Seine eitrige Haut klebte an den leinenen Laken. Sie vermutete, dass er fürchterliche Schmerzen litt, und dennoch ließ er es sich kaum anmerken. Er war so teilnahmslos, dass sie fürchtete, er würde sterben.
    Etta schloss die Augen. Wenn er starb, würde all der Schmerz wieder aufflammen, den sie gelernt hatte, hinter sich zu lassen.
    Es war so schrecklich unfair, dass sie ihn verlieren sollte, nachdem sie ihm jetzt endlich vertraute. Er hatte sie das Lesen gelehrt, und sie hatte ihm beigebracht zu kämpfen. Außerdem hatte sie eifersüchtig mit ihm um Kennits Gunst gewetteifert.
    Irgendwann hatte sie angefangen, ihn als Freund zu betrachten.
    Wie hatte sie nur so sorglos sein können? Warum hatte sie sich diese Verletzbarkeit erlaubt?
    Sie kannte ihn besser als jeder andere an Bord. Für Kennit war Wintrow ein Glücksfall und ein Prophet seines Erfolges, obwohl er den Jungen wertschätzte und ihn auf seine eigene, knurrige Art vielleicht auch liebte. Die Mannschaft hatte Wintrow akzeptiert. Zögernd zunächst, aber nachdem der sanfte Junge in Divvytown mit der Klinge in der Hand seinen Mann gestanden und Kennit zum König ausgerufen hatte, betrachteten sie ihn mit fast väterlichem Stolz. Seine Schiffskameraden hatten eifrig darauf gedrängt, dass Wintrow in Anderland den Strand der Schätze absuchte, weil sie sicher waren, dass seine Funde ein Omen für Kennits zukünftige Größe sein würden. Selbst Sorcor betrachtete Wintrow mittlerweile mit Toleranz und Zuneigung. Aber keiner kannte ihn so gut wie sie. Wenn er starb, wären sie alle traurig, Etta jedoch würde leiden.
    Sie schob ihre Gefühle beiseite. Sie waren nicht wichtig. Entscheidend war, wie Wintrows Tod Kennit beeinflussen würde.
    Sie wusste es wirklich nicht. Vor fünf Tagen hätte sie noch geschworen, dass sie den Piraten so gut kannte wie jeder andere. Nicht, dass sie all seine Geheimnisse kannte. Er war sehr verschwiegen, und seine Motive gaben ihr oft Rätsel auf. Dennoch behandelte er sie freundlich, und mehr als das. Sie wusste, dass sie ihn liebte. Das hatte ihr genügt, und sie musste nicht wiedergeliebt werden. Er war Kennit, und mehr verlangte sie nicht von ihm.
    Sie hatte mit gnädiger Skepsis zugehört, als Wintrow anfing, seine Spekulationen zu äußern. Sein anfängliches Misstrauen Kennit gegenüber hatte sich allmählich zu

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