Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt
forttrug.
Unmittelbar darauf nahm er nur noch das Rauschen des Windes wahr, als sie rasend schnell aufstiegen.
Ihm war nicht klar gewesen, wie viel Rücksicht Tintaglia bei ihrem ersten Flug auf ihn und Selden genommen hatte. Jetzt stieg sie so schnell auf, dass ihm das Blut im Gesicht prickelte und seine Augen aus den Höhlen traten. Und sein Magen schien Schwierigkeiten zu haben, ihr Tempo mitzuhalten. Reyn spürte Tintaglias Wut. Er hatte sie gedemütigt, als er sie vor den Menschen Tintaglia genannt hatte. Damit hatte er ihren Namen denen enthüllt, die kein Recht hatten, ihn zu kennen.
Er dachte nach, aber ihm wollten die rechten Worte nicht einfallen. Wenn er sich entschuldigte, war das möglicherweise genauso falsch, wie sie daran zu erinnern, dass sie Malta diese Rettung schuldete. Also schwieg er lieber und versuchte, den Griff ihrer Klauen zu lockern.
»Willst du, dass ich meinen Griff löse, Reyn Khuprus?«, spottete die Drachenkönigin. Sie öffnete ihre Klaue, aber bevor Reyn hindurchrutschen und zu Tode stürzen konnte, schloss sie sie wieder. Während er vor Entsetzen schrie, beendete sie ihren Aufstieg und schwang sich in einer weiten Spirale über den Fluss. Sie waren viel zu hoch, um etwas zu erkennen. Das bewaldete Land unter ihnen wirkte wie ein unendlicher Moosteppich, und der Fluss war kaum mehr als ein schmales weißes Band. Sie las seine Gedanken.
»Die Augen eines Drachen sind anders als die eines Beutetieres, kleines Fleischgeschöpf. Ich sehe von hier oben, was ich sehen muss. Sie ist nicht da. Vermutlich ist sie flussabwärts getrieben worden.«
Reyns Herz hämmerte schmerzhaft in seiner Brust. »Wir finden sie«, tröstete die Drachenkönigin ihn unwillig. Ihre großen Schwingen schlugen regelmäßig, als sie dem Flusslauf folgten.
»Geh tiefer«, bat er sie. »Lass mich mit meinen eigenen Augen nach ihr suchen. Wenn sie noch in den Untiefen ist, ist sie vielleicht unter den Bäumen verborgen. Bitte!«
Sie antwortete nicht, sondern ging so schnell mit ihm hinunter, dass ihm schwarz vor Augen wurde. Er hielt sich mit beiden Händen an ihren Klauen fest und bemühte sich, das breite Band des Flusses und beide Ufer abzusuchen. Aber sie flogen zu schnell. Zwar bemühte sich Reyn, der schärferen Wahrnehmung der Drachenkönigin zu vertrauen, aber nach einer Weile verzweifelte er. Sie waren schon viel zu weit. Wenn sie sie noch nicht gefunden hatten, dann darum, weil es sie nicht mehr gab.
»Da!«, rief Tintaglia plötzlich.
Er strengte sich an, konnte jedoch nichts erkennen. Sie neigte sich und wendete so geschickt wie eine Schwalbe. Erneut überflogen sie dasselbe Flussstück. »Da, in dem kleinen Boot, mit zwei anderen Menschen. Direkt in der Mitte des Flusses. Siehst du sie jetzt?«
»Ja!« Reyn jubelte, aber seine Freude wich sofort dem Entsetzen. Sie hatten sie zwar gefunden, und als Tintaglia sich dem Boot näherte, erkannte Reyn auch, dass der Satrap und seine Gefährtin bei ihr waren. Sie zu sehen und sie zu retten waren jedoch zweierlei Dinge. »Kannst du sie aus dem Boot bergen?«, fragte er den Drachen.
»Möglicherweise. Wenn ich dich fallen lasse und das Boot zum Kentern bringe. Es besteht die winzige Chance, dass ich ihr bei dem Versuch nur ein paar Rippen breche. Möchtest du das?«
»Nein!« Er überlegte fieberhaft. »Können Drachen schwimmen? Könntest du nicht neben ihr auf dem Fluss landen?«
»Ich bin keine Ente!« Ihre Missbilligung war unüberhörbar.
»Wenn wir Drachen auf dem Wasser landen, bleiben wir nicht an der Oberfläche, sondern sinken bis auf den Grund und gehen von dort aus weiter. Ich glaube kaum, dass du diese Erfahrung genießen würdest.«
Reyn klammerte sich an jede noch so schwache Hoffnung.
»Kannst du mich in dem Boot absetzen?«
»Warum? Damit du mit ihr ertrinkst? Sei nicht albern. Der Luftzug meiner Schwingen würde das Boot zum Kentern bringen, lange, bevor ich auch nur im Entferntesten nah genug wäre, um dich durch den Boden fallen zu lassen. Mensch, ich habe meinen Teil getan. Ich habe sie für dich gefunden. Da du jetzt weißt, wo sie ist, ist es an dir und den anderen Menschen, sie zu retten. Meine Rolle in ihrem Leben ist vorbei.«
Das war kein Trost. Er hatte gesehen, wie Malta ihnen ihr Gesicht zugewandt hatte, als sie über sie hinweggeflogen waren.
Er konnte sich fast vorstellen, wie sie ihnen hinterher schrie und sie um Rettung anflehte. Ja, der Drache hatte Recht. Sie konnten nichts für Malta tun, ohne alle in noch
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