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Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt

Titel: Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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bemerkte, dass der Regenwildfluss heller war als normal. Nach großen Erdstößen floss er manchmal weiß dahin, und wer ihn zu dieser Zeit mit dem Boot befuhr, tat gut daran, sorgsam auf sein Fahrzeug zu achten. Wenn der Fluss weiß wurde, zersetzte er Holz sehr rasch. Die Drachenkönigin neigte die Flügel und schwang sich landein-und flussaufwärts. Schließlich nahm Reyn den Geruch von Trehaug wahr und erblickte die Stadt in den Bäumen. Von oben betrachtet sah es so aus, als hinge die Stadt wie dekorative Lampions in den Ästen der Bäume. Der Rauch von Holzfeuern kräuselte sich in die reglose Luft empor.
    »Das ist sie!« Reyn schrie die Worte als Antwort auf die unausgesprochene Frage der Drachenkönigin, doch im selben Moment bemerkte er, dass er sie gar nicht laut hätte zu äußern brauchen. Jetzt, da er ihr so nah war, hatte sich das alte Band zwischen ihnen wieder erneuert. Ein ungutes Gefühl überkam ihn, aber dann spürte er ihre sarkastische Antwort: Er brauchte sich keine Sorgen zu machen. Menschen spielten in ihren zukünftigen Plänen keine Rolle.
    Als sie in Schwindel erregenden Spiralen zur Erde sanken, war Reyn beinahe froh über seinen leeren Magen. Er erhaschte einen kurzen Blick auf die Stadt und den Fluss, während sie tiefer gingen. Außerdem erkannte er einige Gestalten, die nach oben deuteten und etwas schrien. Er spürte das Missfallen der Drachenkönigin, dass es keine weite, ebene Fläche gab, auf der sie landen konnte. Was für eine Stadt war denn das?
    Sie landeten mit einem Ruck auf den Docks. Die Piers waren so konstruiert, dass sie sich mit dem An-und Abschwellen des Flusses heben und senken konnten. Sie gaben unter ihrem Aufprall nach. Gischt schäumte vom Rand der Pier auf, und der Luftzug ließ den Kendry beängstigend schwanken. Das Lebensschiff schrie bestürzt auf. Als die Pier sich unter dem Gewicht des Drachen schwankend wieder aufrichtete, öffnete Tintaglia ihre Klauen. Reyn und Selden fielen vor ihre Füße. Sie drehte sich um und setzte ihre mächtigen Vordertatzen neben ihnen auf das Holz. »Jetzt werdet ihr leben«, versicherte sie ihnen.
    »Jetzt… werden wir… leben«, keuchte Reyn. Selden lag regungslos wie ein Kaninchen da.
    Reyn hörte donnernde Schritte und aufgeregtes Stimmengewirr. Er hob den Blick. Eine beachtliche Menschenmenge strömte auf die Pier. Viele waren noch schmutzig von den Grabungsarbeiten. Und alle wirkten trotz der Erregung, die sich auf ihren Mienen abzeichnete, müde und erschöpft. Einige umklammerten ihre Werkzeuge wie Waffen. Am Ende des Docks blieben sie stehen. Die ungläubigen Rufe schwollen zu einem lauten Geschrei an, als die Menschen Tintaglia anstarrten und auf den Drachen deuteten. Reyn sah, wie sich seine Mutter durch die Menge drängte. Als sie die vorderste Reihe der Zuschauer erreicht hatte, trat sie allein weiter vor und näherte sich vorsichtig der Drachenkönigin. Dann sah sie ihren Sohn und verlor jedes Interesse an dem ungeheuren Biest.
    »Reyn?« Sie schien es kaum glauben zu können. »Reyn!« Ihre Stimme versagte ihr den Dienst. »Du lebst! Gelobt sei Sa!«
    Sie lief zu ihm und kniete sich neben ihn.
    Reyn ergriff ihre Hand. »Sie lebt«, sagte er. »Ich hatte Recht.
    Die Drachenkönigin lebt.«
    Ein langer, klagender Schrei unterbrach ihn. Reyn sah, wie Keffria aus der Gruppe der Zuschauer stürzte und auf die Pier lief. Sie kniete sich neben Selden hin und riss den Jungen in ihre Arme. »Dank sei Sa, er lebt! Aber was ist mit Malta? Wo ist Malta, meine Tochter?«
    »Ich habe sie nicht gefunden.« Reyn brachte die Worte nur mit Mühe über die Lippen. »Ich fürchte, dass sie möglicherweise noch in der Stadt ist.«
    Keffria stieß einen klagenden Laut aus, der allmählich zu einem trotzigen Schrei anschwoll. »Nein, nein, nein!«, jammerte sie. Selden wurde blass. Die Miene des tapferen Jungen, der während all dieser Strapazen Reyns Gefährte gewesen war, verwandelte sich wieder in das Gesicht eines kleinen Jungen.
    Sein Schluchzen vermischte sich mit den Klagen seiner Mutter.
    »Mama, Mama, weine nicht! Weine nicht!« Er zerrte an ihr, aber es gelang ihm nicht, ihre Aufmerksamkeit zu erregen.
    »Die, die ihr Malta nennt, ist nicht tot«, unterbrach die Drachenkönigin sie scharf. »Hört auf mit dem Gejaule und beendet Euer sentimentales Geklage!«
    »Nicht tot?«, rief Reyn.
    Selden packte seine wehklagende Mutter und schüttelte sie.
    »Mama, hast du nicht gehört, was die Drachenkönigin gesagt hat? Malta ist

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