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Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt

Titel: Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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ihrer Koje, stellte sie sich Brashen ganz gewiss nicht nur als Kapitän vor. Am Tag jedoch musste sie das tun. Sie wollte Amber nicht sagen, wie schwer es für sie war, diesen Unterschied aufrechtzuerhalten. Und darüber zu reden machte es auch nicht einfacher. Es war besser, wenn sie es für sich behielt. Die Vermutung, dass Paragon ihre wahren Gefühle für Brashen kannte, bereitete ihr ohnehin schon Unbehagen genug.
    Sie wartete darauf, dass er etwas Schreckliches sagte, das sie bloßstellte, aber die Galionsfigur schwieg.
    »Es ist ein Teil von dem, was er ist«, stimmte Amber zu. »In mancherlei Hinsicht sicher sein bester Teil. Ich glaube, dass er schon viele Jahre lang überlegt und geplant hat, wie es sein würde, wenn er Kapitän wäre. Er hat bestimmt sehr unter schlechten Kapitänen gelitten und unter Guten viel gelernt. Das alles bestimmt, was er jetzt tut. Er hat mehr Glück, als er ahnt, dass er seinen Traum leben kann. Das tun nur wenige Menschen.«
    »Was tun nur wenige Menschen?«, wollte Jek wissen. Sie schlenderte heran und gesellte sich zu ihnen. Sie grinste Althea an und versetzte Amber einen liebevollen Knuff. Dann beugte sie sich über die Reling. Althea starrte sie neiderfüllt an. Jek strahlte Vitalität und Gesundheit aus. Die Matrosin hatte lange Glieder, war muskulös und mit sich im Reinen. Sie band ihre Brüste nicht fest und kümmerte sich auch nicht darum, dass ihre Seemannshose nur bis zum Knie reichte. Ihr langer blonder Zopf war aufgrund der Sonne fast strohfarben, aber auch das schien sie nicht zu interessieren. Sie ist das, dachte Althea unbehaglich, was ich zu sein vorgebe: eine Frau, die sich nicht von ihrem Geschlecht daran hindern lässt, so zu leben, wie sie will. Jek war in den Sechs Herzogtümern aufgewachsen und beanspruchte Gleichberechtigung als Geburtsrecht. Entsprechend gewährten die Männer sie ihr auch. Althea dagegen beschlich manchmal noch das Gefühl, sie brauchte jemandes Erlaubnis, einfach nur, um sie selbst zu sein. Das schienen die Männer zu spüren.
    Jek beugte sich über die Reling. »Guten Abend, Paragon!«
    Über die Schulter fragte sie Amber: »Kann ich mir eine feine Nadel von dir borgen? Ich muss etwas flicken, und ich kann meine nicht finden.«
    »Ich denke schon. Ich gehe gleich rein und hole sie dir.«
    Jek war unruhig. »Sag mir einfach, wo sie ist, dann nehme ich sie mir selbst«, schlug sie vor.
    »Nimm meine«, mischte sich Althea ein. »Sie ist in meinem kleinen Beutel und steckt in einem Stück Segeltuch. Garn ist auch noch drin.« Althea wusste, dass Ambers übertriebenes Bedürfnis nach Privatsphäre sich auch auf ihre persönlichen Habseligkeiten erstreckte.
    »Danke. Also, was war das für Gerede über Dinge, die nur wenige Menschen tun?« Jek lächelte und sah die beiden skeptisch an.
    »Nicht das, was du denkst«, meinte Amber nachsichtig. »Wir haben von Menschen gesprochen, die ihre Träume verwirklichen. Ich sagte, das tun nur wenige, und noch wenigere genießen diese Erfahrung. Viel zu viele Menschen müssen feststellen, dass ihr Traum nicht dem entspricht, was sie wollten, wenn er endlich wahr wird. Oder er übersteigt ihre Fähigkeiten, und es endet in Verbitterung. Aber für Brashen scheint die Sache aufzugehen. Er macht das, was er immer schon machen wollte, und er macht es gut. Er ist ein guter Kapitän.«
    »Das ist er«, sagte Jek nachdenklich. Sie lehnte sich mit katzenhafter Gewandtheit gegen die Reling und starrte versonnen in die Sterne. »Und ich wette, dass er seine Sache auch woanders gut macht.«
    Jek war eine Frau mit einem gesunden Appetit auf Männer.
    Es war nicht das erste Mal, dass Althea hörte, wie sie ihr Interesse an einem Mann bekundete. Das Leben und die Regeln auf dem Schiff zwangen sie zu einer Abstinenz, die ihrer Natur zuwiderlief. Wenn sie auch ihrem Körper nicht nachgeben durfte, so ließ sie doch ihrer Fantasie freien Lauf. Häufig genug teilte sie ihre Vorstellungen mit Amber und Althea. Es war ihr häufigstes Gesprächsthema in den seltenen Nächten, in denen sie gemeinsam in ihrer Kabine in den Kojen lagen. Jek konnte ihre Beobachtungen mit einem bissigen Humor würzen und trieb mit ihren Schilderungen von früheren Beziehungen den beiden anderen Frauen oft Lachtränen in die Augen. Normalerweise fand Althea Jeks zotige Spekulationen über die männlichen Matrosen amüsant. Jetzt jedoch musste sie feststellen, dass dem nicht so war, wenn es sich bei dem fraglichen Mann um Brashen handelte. Ihr

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