Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt
wäre, als Piratenschiff getarnt in einen Piratenhafen einzulaufen. Laut Lavoy brüstet sich Paragon damit, dass er viele geheime Wege zwischen den Pirateninseln kenne.«
»Hast du schon mit Paragon darüber gesprochen?«
Brashen schüttelte den Kopf. »Ich habe Angst, das Thema zur Sprache zu bringen. Vielleicht denkt er dann, ich würde es begrüßen. Dann wird er seine ganze Energie darauf konzentrieren. Und falls ich es nicht begrüße, besteht er dann vielleicht nur deshalb darauf, um zu beweisen, dass er es tun könnte. Du weißt ja, wie er sein kann. Ich möchte ihm die Idee nur präsentieren, wenn wir alle dahinterstehen. Eine Bemerkung von mir könnte dazu führen, dass er sich vollkommen auf Piraterie als einzig richtigen Kurs versteift.«
»Ich frage mich, ob der Schaden nicht schon angerichtet ist«, erwiderte Althea. Der Rum brannte warm in ihrem Magen.
»Paragon war in letzter Zeit sehr merkwürdig.«
»Wann träfe das nicht auf ihn zu?«, fragte Brashen bissig.
»Diesmal ist es anders. Er ist auf eine geheimnisvolle Weise eigenartig. Er spricht davon, dass die Begegnung mit Kennit unser Schicksal sei. Und er sagt, dass uns nichts davon abhalten darf.«
»Und das findest du nicht?«, forschte Brashen.
»Ob es unser Schicksal ist, weiß ich nicht. Brashen, ich wäre vollkommen zufrieden, wenn wir auf die Viviace stießen und nur eine Ankerwache an Bord wäre, sodass wir sie ohne Kampf übernehmen könnten. Ich will nur mein Schiff und die Überlebenden der Mannschaft. Mir steht der Sinn weder nach einem Kampf noch nach mehr Blutvergießen als nötig.«
»Mir auch nicht«, sagte Brashen ruhig. Er schenkte einen Schluck Rum nach. »Aber ich glaube nicht, dass wir die Viviace ohne Kampf zurückbekommen werden. Wir müssen uns dafür wappnen.«
»Ich weiß«, stimmte ihm Althea zögernd zu. Aber sie fragte sich, ob sie wirklich wusste, wovon sie da redete. Sie war noch nie in einen richtigen Kampf verwickelt gewesen. Ihre Kampferfahrung beschränkte sich auf einige kleinere Kneipenraufereien. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie die Viviace mit dem Schwert in der Hand befreien würde. Wenn jemand sie angriff, konnte sie sich verteidigen. Das wusste sie. Aber konnte sie auch mit gezücktem Schwert auf ein anderes Deck springen und einen Mann töten, den sie noch nie zuvor gesehen hatte? Hier bei Brashen, in der warmen, gemütlichen Kajüte, bezweifelte sie es. Das war nicht die Art der Händler. Aber eines wusste sie: Sie wollte die Viviace zurückhaben. Es war ihr sehnlichster Wunsch. Vielleicht würden ja Wut und Zorn in ihr aufflammen, wenn sie ihr geliebtes Schiff in den Händen eines Fremden sah. Vielleicht konnte sie dann töten.
»Also?« Bei Brashens Frage begriff sie, dass sie die ganze Zeit an ihm vorbei aus dem Heckfenster gestarrt hatte.
Sie sah ihn wieder an und spielte mit dem Glas, während sie seine Frage erwiderte. »Also was?«
»Werden wir Piraten? Oder tun wir zumindest so, als wären wir welche?«
Ihre Gedanken drehten sich hilflos im Kreis. »Du bist der Kapitän«, sagte sie schließlich. »Es ist deine Entscheidung.«
Er schwieg einen Augenblick und grinste dann. »Ich muss zugeben, dass mir die Vorstellung irgendwie gefällt. Ich habe darüber nachgedacht. Und was unsere Flagge angeht: Was hältst du von einer roten Seeschlange auf blauem Grund?«
Althea verzog das Gesicht. »Klingt nicht sehr glücklich. Aber einschüchternd.«
»Genau das wollen wir auch sein. Außerdem war das das unheimlichste Emblem, das ich mir ausdenken konnte. Es entspringt direkt meinen Albträumen. Und was das Glück betrifft: Ich fürchte, dafür müssen wir selbst sorgen.«
»Wie immer. Und wir kapern nur Sklavenschiffe?«
Seine Miene verhärtete sich einen Augenblick. Dann funkelten seine Augen wieder wie früher. »Vielleicht müssen wir ja gar nichts kapern. Vielleicht können wir auch nur so tun, als hätten wir eines gekapert… Oder als wollten wir es. Wie wäre es mit ein bisschen Schauspielerei? Ich sollte vielleicht den gelangweilten jüngeren Sohn aus Bingtown spielen. Ein vornehmer Herr, der in den Süden segelt, um ein bisschen in Piraterie und Politik zu dilettieren. Was meinst du?«
Althea lachte laut. Der Rum durchrieselte sie wohlig und wärmte ihren ganzen Körper. »Ich glaube, dir gefällt das vielleicht ein bisschen zu sehr, Brashen. Aber was ist mit mir? Wie willst du eine Frau als Zweiten Maat auf einem Bingtowner Schiff erklären?«
»Du könntest meine
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