Zauberschiffe 05 - Die vergessene Stadt
mit den Lippen geformt hatte, aber Kekki schien sie zu spüren.
»Hilf mir jetzt zu überleben«, wiederholte Kekki. Ihre Anstrengungen ließen ihre Lippen aufplatzen, und sie holte schluchzend Luft. »Bitte. Hilf mir jetzt, dann helfe ich dir später. Das verspreche ich.«
Es war das Flehen eines geschlagenen Kindes, das Gehorsam versprach, wenn nur die Schmerzen aufhörten. Malta strich der Frau über die Schulter. Unbeholfen hob sie Kekkis Kopf und legte ihn vorsichtig gegen den Rand des Boots, wo das Holz nicht so hart gegen die Wange der Gefährtin drückte. Dann schmiegte sie sich halb an Kekkis Rücken, sodass sie sich gegenseitig wärmten. Mehr konnte sie nicht für sie tun.
Malta zwang ihre steifen Halsmuskeln, den Kopf zu wenden, damit sie den Satrapen ansehen konnte. Der hohe Herr von Jamaillia starrte sie von seinem Sitz aus boshaft an. Seine Stirn war über seinen aufgequollenen Augen angeschwollen und entstellte sein Gesicht.
Malta wandte sich wieder von ihm ab. Sie versuchte, sich auf die Nacht vorzubereiten, indem sie die Hände in die Ärmel ihrer Robe steckte und den Kragen soweit wie möglich hochzog. Anschließend zog sie die Füße unter ihre Röcke. Während sie sich an Kekki schmiegte, redete sie sich ein, dass sie sich jetzt wärmer fühlte. Sie schloss die Augen und döste ein.
»Was ist das?«
Malta ignorierte ihn. Sie wollte nicht schon wieder streiten.
Dazu fehlte ihr die Kraft.
»Was ist das?«, wiederholte der Satrap, drängender diesmal.
Malta schlug die Augen auf und hob ein wenig den Kopf.
Dann setzte sie sich ruckartig auf, was das Boot schwanken ließ. Etwas kam auf sie zu. Sie spähte mit zusammengekniffenen Augen hin und versuchte, aus den Umrissen schlau zu werden. Nur ein Lebensschiff konnte den Regenwildfluss befahren. Alle anderen Boote mussten dem ätzenden Wasser zum Opfer fallen. Aber dieser Umriss war niedriger als der eines Lebensschiffes, und er schien auch bloß ein einziges, rechteckiges Segel zu haben. Das Schiff wurde nur von einigen dämmrigen Laternen erhellt, aber Malta glaubte, Bewegungen auf der einen Seite erkennen zu können. Der hohe, unförmige Bug hüpfte auf und ab, als das Schiff flussaufwärts fuhr. Malta stand in dem schwankenden Boot auf, während sie das Schiff anstarrte. Sie konnte kaum glauben, was sie da sah. Schließlich hockte sie sich wieder hin. Es war dunkel, und ihr Boot war klein. Möglicherweise würde das Schiff an ihnen vorbeifahren, ohne sie zu bemerken.
»Was ist es?«, erkundigte sich der Satrap mit schmerzverzerrter Stimme.
»Leise. Es ist eine chalcedeanische Kriegsgaleone.« Malta starrte das Schiff an, das immer näher kam. Ihr Herz hämmerte gegen ihre Rippen. Was konnte ein chalcedeanisches Schiff schon auf dem Regenwildfluss wollen? Entweder spionieren oder plündern. Trotzdem war es das einzige Schiff, das sie bisher gesehen hatten. Hier schwamm ihre Rettung. Oder ihr Tod.
Während sie noch zögerte und überlegte, was sie tun sollte, reagierte der Satrap.
»Hilfe! Hilfe! Hier drüben! Hier!« Er erhob sich in gebückter Haltung, hielt sich mit einer Hand fest und winkte heftig mit der anderen.
»Sie sind uns vielleicht nicht freundlich gesonnen!«, ermahnte ihn Malta.
»Natürlich sind sie das! Es sind meine Verbündeten, meine Söldner, um die Gewässer von Jamaillia von den Piraten zu säubern! Sieh doch! Sie zeigen die jamaillianischen Farben! Es sind meine Söldner, die Piraten jagen. He! Hier drüben! Rettet uns!«
»Piraten jagen? Auf dem Regenwildfluss?«, erwiderte Malta spöttisch. »Es sind Plünderer!«
Er ignorierte sie einfach. Kekki hatte sich ebenfalls aufgerafft. Sie setzte sich hin, wedelte schwach mit einem Arm durch die Luft und jaulte wortlos um Hilfe. Trotz ihres Geschreis hörte Malta den verblüfften Ausruf des Ausgucks der Galeere. Augenblicke später sammelte sich eine Traube von Laternen am Bug, und ihr Licht warf den Schatten einer monsterköpfigen Galionsfigur über sie. Plötzlich deutete die Silhouette eines Mannes auf sie. Zwei andere sahen sie ebenfalls. Auf dem Deck der Galeere schrieen die Matrosen aufgeregt. Das Schiff änderte den Kurs und steuerte direkt auf sie zu.
Dennoch dauerte es endlos lange, bis es sie erreichte. Man warf ihnen eine Leine herunter, und Malta fing sie auf. Sie stemmte sich gegen den Rand, während die Matrosen ihr Boot zu der Galeere zogen. Das Licht der Laternen, die die Seeleute über die Reling hielten, blendete sie. Sie stand da und hielt die
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