Zaubersommer in Friday Harbor
wahrscheinlich nicht der Richtige für
sie sein. Also, wenn du Holly in dem Glauben erziehst, das Leben sei ein
Märchen, dann wird die Realität ihr ein paar sehr schmerzhafte Lektionen
erteilen.”
Sam sah seinem Bruder nach, wie er
zu dem BMW hinüberging, der in der Einfahrt stand. „Volltrottel”,
murmelte er liebevoll, als Alex einstieg und davonfuhr. Er lehnte sich
rücklings an einen der massiven Stützpfeiler der Veranda und ließ den Blick
über die Ländereien rings ums Haus schweifen. Wo früher eine Streuobstwiese mit
Apfelbäumen gewesen war, standen jetzt Reihen junger Weinstöcke.
Innerlich musste er Alex zustimmen,
was seine Meinung über die Ehe anging. Ein Nolan konnte in einer Ehe nur verlieren.
Welche Gene man auch brauchte, um eine dauerhafte Beziehung aufrechterhalten zu
können – ein Nolan hatte sie nicht. Eventuell mit Ausnahme ihres ältesten
Bruders Mark.
In Sams Augen
jedenfalls überwogen die Risiken einer Ehe die möglichen positiven Aspekte bei
Weitem. Er mochte Frauen im Allgemeinen. Er genoss ihre Gesellschaft und
vergnügte sich gern mit ihnen im Bett. Dummerweise neigten Frauen dazu, Sex und
Gefühle miteinander zu verquicken, und das hatte noch jede seiner Beziehungen
ruiniert. Und bisher hatten sogar all die Frauen, die behaupteten, sie teilten
Sams Wunsch nach einer einfachen unkomplizierten Affäre, irgendwann den Punkt
erreicht, an dem sie mehr wollten. Wenn dann klar wurde, dass Sam ihnen nicht
geben konnte, was sie sich wünschten, machten sie Schluss mit ihm und suchten
sich jemand anderen.
Zum Glück
hatte er noch nie eine Frau getroffen, die ihn in Versuchung führte, seine
Freiheit aufzugeben. Wenn das doch einmal geschehen sollte, wusste er genau,
wie er damit umzugehen hatte. Er würde davonrennen, als sei der Teufel hinter
ihm her.
Kapitel 4
s regnete immer
heftiger, und Lucy beschloss, dorthin zu fahren, wohin sie stets flüchtete,
wenn sie sich allein und mutlos fühlte. Ihre Freundinnen Justine und Zoë
betrieben in Friday Harbor, keine zwei Minuten Fußweg vom Fähranleger entfernt,
eine Frühstückspension in einem umgebauten Herrenhaus mit großzügigen Veranden
und Panoramafenstern, die einen herrlichen Blick auf die erhabene Kuppe des
Mount Baker in der Ferne boten.
Obwohl Justine
und Zoë Hoffmann Cousinen waren, ähnelten sie sich nicht im Geringsten.
Justine war schlank und sportlich, ein Mensch, der gern seine Grenzen
austestet und ausprobiert, wie weit er Rad fahren, laufen und schwimmen kann.
Selbst wenn sie still saß, wirkte Justine eigentlich immer wie in Bewegung. Sie
war offen, absolut ehrlich und ging das Leben mit einer fröhlichen inneren Ruhe
an, die manche Leute unerträglich fanden. Wenn sie mit einem Problem
konfrontiert wurde, fackelte sie nicht lange, sondern handelte. So manches Mal
allerdings, ohne die Sache gründlich zu überdenken.
Zoëdagegen wog
ihre Entscheidungen so sorgfältig ab wie die Zutaten für ihre Rezepte. Sie
liebte nichts so sehr, wie auf dem Markt von Stand zu Stand zu trödeln, um die
besten Früchte und Gemüse aus biologischem Anbau auszuwählen. Für das Frühstück
ihrer Gäste kaufte sie Wildbeerenkonfitüre, Lavendelhonig und frische Butter von
einer Inselmolkerei. Zoë war diplomierte Köchin, ließ sich aber beim Zubereiten
der Speisen gern auch von ihrem Instinkt leiten. Sie liebte gebundene Bücher
und Kinoklassiker und schrieb ihre Briefe von Hand. Außerdem sammelte sie
antike Broschen und schmückte damit eine uralte Schneiderpuppe, die in ihrem
Schlafzimmer stand.
Nach ihrer Scheidung – knapp ein
Jahr nach der Hochzeit – hatte Zoë sich von ihrer Cousine dazu überreden
lassen, ihr bei der Leitung der Frühstückspension zu helfen. Sie hatte schon immer in Restaurants und Bäckereien
gearbeitet und gelegentlich mit dem Gedanken gespielt, ein eigenes Café zu
eröffnen. Doch die Aussicht auf Geschäftsführungsaufgaben und Buchhaltung
hatte sie abgeschreckt. Die Zusammenarbeit mit Justine war für beide die
perfekte Lösung.
„Mir liegen
besonders die geschäftlichen Aufgaben”, hatte Justine ihrer Freundin Lucy
einmal erzählt.
„Mir macht es
nichts aus, zu putzen, und ich kann sogar Klempnerarbeiten erledigen, aber kochen?
Das könnte ich nicht mal, wenn mein Leben davon abhinge. Zoë dagegen ist eine
wahre Kochkünstlerin.”
Das entsprach
der Wahrheit. Zoë werkelte unglaublich gern der Küche. Mühelos kreierte sie
ständig neue Leckereien wie Bananenmuffins mit Mascarponeglasur
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