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Zaubersommer in Friday Harbor

Zaubersommer in Friday Harbor

Titel: Zaubersommer in Friday Harbor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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Künstler, der den Schrei gemalt hat?”
    „Er hat
auch noch andere Bilder gemalt, nicht nur Der Schrei. Aber, ja, ich habe
einen Kunstdruck von diesem Bild in das Zimmer gehängt, weil es sein
bekanntestes Werk ist. Es hängen aber auch ein paar schöne Bilder von ihm
darin, zum Beispiel Vier Mädchen auf der Brücke.”
    „Spielt
keine Rolle”, warf Zoë ein. „Jeder sieht in dem Zimmer immer nur den Schrei. Ich habe dir gesagt, dass niemand mit diesem Bild vor Augen einschlafen
möchte.”
    „Ich
schon”, meinte Lucy. „Klingt, als sei es das perfekte Zimmer für eine
Frau, die gerade eine Trennung durchsteht.”
    Justine
warf ihr einen liebevollen Blick zu. „Du kannst das Zimmer haben, solange du
willst.”
    „Und wenn
sie wieder auszieht, dekorieren wir um und hängen einen anderen Künstler
auf.”
    Justines
Gesicht verfinsterte sich. „An wen denkst du dabei?”
    „Picasso”,
erklärte Zoë fest.
    „Du hast
ein Problem mit Munch, aber nicht mit einem Mann, der Frauen mit drei Augen und
quadratischen Brüsten gemalt hat?”
    „Jeder, der
ein Zimmer in unserer Frühstückspension bucht, fragt, ob er das Picasso-Zimmer
haben kann. Ich bin es leid, den Leuten jedes Mal antworten zu müssen, dass es
kein Picasso-Zimmer gibt.”
    Tief
seufzend wandte Justine sich wieder an Lucy. „Wenn du deinen Muffin gegessen
hast, fahre ich dich zu eurem Haus, und wir holen deine Sachen.”
    „Kann sein,
dass wir Kevin treffen”, befürchtete Lucy. „Genau das will sie doch”,
klärte Zoë sie auf.
    Justine
lächelte finster. „Richtig, und zwar am liebsten mit meinem Auto.”
    Ein paar
Tage, nachdem sie
sich in ihrem Zimmer im Artist 's Point häuslich eingerichtet hatte,
nahm Lucy allen Mut zusammen und rief ihre Schwester an. Die Situation hatte
etwas Unwirkliches an sich. Nach all den Jahren, in denen sie die perfekte
Helferin für Alice gewesen war, ihr alles gegeben hatte, was sie wollte oder
brauchte, war es jetzt also so weit gekommen? Glaubte Alice wirklich, sie habe
das Recht, Lucy den Freund wegzunehmen, ohne über die Folgen nachzudenken?
    Mit dem
Telefon in der Hand saß Lucy auf dem Bett. Das Munch-Zimmer war gemütlich
eingerichtet und gut geheizt, die Wände waren in einem warmen Rotbraun
gestrichen und zur Decke hin weiß abgesetzt, die Bettbezüge in einem bunten
geometrischen Muster gehalten. Und die großformatigen Kunstdrucke wie Vier
Mädchen auf der Brücke und Vier Mädchen in
Åsgårdstrand gefielen ihr sehr. Nur der
albtraumhafte Schrei, das Bild mit dem Mann, der den Mund voller Angst
und in geradezu greifbarer Pein aufgerissen hatte, drückte auf die Stimmung.
Wenn man es einmal gesehen hatte, konnte man sich auf nichts anderes mehr
konzentrieren.
    Lucy
drückte die Kurzwahltaste und starrte dabei auf diesen Mann, der sich die Hände
auf die Ohren presste, auf den blutroten Himmel über ihm, den schwarzblauen
Fjord im Hintergrund. Sie wusste genau, wie er sich fühlte.
    Ihr Magen
verkrampfte sich, als Alice abnahm.
    „Hallo?”
Argwohn schwang in der Stimme ihrer Schwester. „Ich bin's.” Lucy schnappte
kurz nach Luft. „Ist Kevin bei dir?”
    „Ja”
    Stille.
    Das war ein
anderes Schweigen, als je zuvor zwischen ihnen geherrscht hatte. Es war
erstickend und lähmend. In Gedanken war Lucy dieses Gespräch tausendmal
durchgegangen, in immer neuen Varianten, aber jetzt, wo es darauf ankam,
brachte sie kein Wort heraus.
    Alice brach
das Schweigen zuerst. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll.”
    Lucy suchte
ihre Zuflucht im Zorn, klammerte sich daran wie ein Schiffbrüchiger an einen
Rettungsring. Was sie sagen sollte? „Du könntest mir sagen, warum du das getan
hast.”
    „Es ist
einfach passiert. Wir hatten beide keine Kontrolle darüber.”
    „Mag ja
sein, dass du keine Kontrolle über deine Gefühle hattest, aber über dein
Handeln hättest du sie haben können. Du hättest dich beherrschen müssen.”
    „Natürlich.
Ich weiß genau, was du sagen wirst. Und mir ist klar, dass es nichts bringt,
wenn ich dir sage, wie leid es mir tut. Auch wenn es tatsächlich stimmt.”
    „Alice.
Jedes Mal, wenn du mir gesagt hast, es tue dir leid, dann habe ich geantwortet:
Ist schon in Ordnung. Aber das hier, das ist nicht in Ordnung und wird auch nie
in Ordnung sein. Wie lange läuft das schon?”
    „Du meinst,
wie lange wir schon miteinander gehen oder ...”
    „Ich meine Sex. Seit wann
schlaft ihr miteinander?”
    „Ein paar
Monate. Seit Weihnachten.”
    „Seit
...” Lucy

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