Zaubersommer in Friday Harbor
auf die Herrentoilette mitnehmen? Wie
sollen wir mit solchen Problemen fertigwerden?”
„Mir wird
schon was einfallen. Lass uns einfach hier wohnen.”
„Und was
wird aus meinem Sexualleben?”
Mark
musterte ihn verärgert. „Ist dir das wirklich so wichtig, Sam?”
„Ja, nenn
mich ruhig oberflächlich. So bin ich nun mal.” Aber zum Schluss hatte Sam
natürlich nachgegeben. Schließlich musste
Mark sich mit Problemen herumschlagen, mit denen er nie gerechnet hatte. Noch
mehr aber war er es Victoria schuldig. Er hatte ihr nie nahegestanden, war nie
für sie da gewesen. Ihrer verwaisten Tochter zu helfen war das Mindeste, was
er jetzt für sie tun konnte.
Mit einem
hatte Sam allerdings nicht gerechnet: Holly stahl sich mit spielerischer
Leichtigkeit in sein Herz. Das hing mit den kleinen Kunstwerken und den aus
Nudeln gefertigten Halsketten zusammen, die sie aus der Schule mit nach Hause
brachte. Und damit, dass sie ihn immer wieder an Victoria erinnerte. Wie sie
beim Lächeln die Nase krauszog. Wie konzentriert sie arbeitete, wenn sie aus
Eisstielen und Leim eine Schachtel bastelte. Wie begeistert sie ein Buch über
sprechende Tiere las. Mit einem Kind zu leben veränderte einen Menschen, bevor
er das überhaupt bemerkte. Gewohnheiten und Meinungen wandelten sich, und auf
einmal ergaben sich ganz andere Sorgen, Hoffnungen und Wünsche.
Und Sam
ertappte sich dabei, plötzlich verrückte Dinge zu tun – wie etwa, eine
hässliche Bulldogge zu adoptieren, die niemand haben wollte, weil sie an einem
chronischen Ekzem und Hüftproblemen litt.
„Da wären
wir wieder, Kumpel”, sagte Sam, hob Renfield aus dem Wagen und setzte das
Tier vorsichtig auf den Boden. Der Hund folgte ihm schwerfällig zur
Vorderveranda.
Dort hatte
Alex es sich in einem ziemlich ramponierten Korbstuhl bequem gemacht und trank
ein Bier.
„Hallo,
Al”, begrüßte Sam ihn lässig und behielt dabei Renfield im Auge, der sich
die extra für ihn gebaute Rampe hinaufmühte. Bulldoggen und Treppen vertrugen
sich einfach nicht miteinander. „Was tust du denn hier?”
Alex trug
eine abgewetzte Jeans und ein uraltes Sweatshirt, ganz gegen seine Gewohnheit,
sich immer gepflegt zu kleiden. Er war unrasiert, hatte verquollene Augen und
trug eine mürrische Miene zur Schau, die erkennen ließ, dass dies keineswegs
sein erstes Bier an diesem Nachmittag war.
Sam lief es
kalt den Rücken hinunter. Er wusste noch zu gut, wie oft seine Eltern genau
solche glasigen Augen gehabt hatten. Dabei schien es, als habe der Alkohol bei
ihnen eine andere Wirkung als bei ihren Mitmenschen. Was andere fröhlich, entspannt
und begehrenswert machte, verwandelte Alan und Jessica Nolan in wahre
Scheusale.
Obwohl Alex
nie so tief gesunken war, zeigte auch er sich nicht gerade von seiner besten
Seite, wenn er trank. Er wurde zu einem Typen, mit dem Sam nichts hätte
zu tun haben wollen, wenn sie nicht miteinander verwandt gewesen wären.
„Ich hab
mir den Nachmittag freigenommen”, erklärte Alex, hob die Flasche an die
Lippen und leerte sie.
Er steckte
mitten in einer Scheidung. Vier Jahre war er mit der Frau verheiratet gewesen,
die er eigentlich gut genug hätte kennen müssen, um sich gar nicht erst auf sie
einzulassen. Seiner Frau Darcy war es mühelos gelungen, den Ehevertrag auszuhebeln.
Jetzt war sie dabei, das sorgsam geordnete Leben zu demontieren, das Alex sich
mit großer Mühe aufgebaut hatte. „Hast du mit deinem Anwalt gesprochen?”,
fragte Sam.
„Gestern.”
„Und? Wie
ist's gelaufen?”
„Darcy
bekommt das Haus und den größten Teil des Vermögens. Jetzt streiten sich die
Anwälte um meine Nieren”, versuchte Alex einen schwachen Witz.
„Tut mir
leid. Ich hatte gehofft, dass es mit euch beiden klappt.” Das entsprach
nicht ganz der Wahrheit. Sam hatte Darcy nie ausstehen können. Der ganze
Ehrgeiz dieser Frau bestand darin, sich einen reichen Ehemann zu angeln. Sam
hätte sein Weingut darauf verwettet, dass sie seinem Bruder den Laufpass
gegeben hatte, weil ein vermögenderer Mann aufgetaucht war.
„Schon als
ich sie geheiratet habe, wusste ich, dass das nichts dauerhaftes sein
würde”, meinte Alex.
„Warum hast
du es dann getan?”
„Aus
steuerlichen Gründen.” Alex warf Renfield, der mit dem Kopf gegen sein
Bein knuffte, einen fragenden Blick zu und beugte sich zu dem Hund hinunter, um
ihm den Rücken zu kraulen. „Es liegt einfach daran”, fuhr er fort und
wandte seine Aufmerksamkeit wieder Sam zu, „dass wir Nolans
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