Zaubersommer in Friday Harbor
Hast du dir was gebrochen?”
„Der Doktor
kommt bald.” Sie griff nach Justines Händen, und ihre Worte überschlugen
sich fast. „Ich war mit dem Fahrrad unterwegs und wurde angefahren. Der Wagen
ist von der Spur abgekommen, als wäre der Fahrer betrunken. Ich glaube, eine
Frau saß am Steuer. Ich weiß nicht, warum sie nicht angehalten hat. Ich weiß
nicht, wo mein Fahrrad ist. Und meine Tasche, mein Handy ...”
„Langsam,
immer mit der Ruhe.” Justine drückte ihre Hand. „Die Fahrerin war nicht
betrunken. Es war eine alte Dame. Sie dachte, sie hätte einen Ast überfahren,
hielt aber ein Stückchen weiter vorn auf der Straße an und kehrte um. Sie war
entsetzlich aufgeregt, als ihr klar wurde, was passiert war. Das Ehepaar, das
dich gefunden hat, fürchtete schon, sie würde einen Herzanfall bekommen.”
„Die arme
Frau”, murmelte Lucy.
„Deine
Tasche und dein Handy sind hier. Dein Fahrrad ist hinüber.”
„Es ist ein
Oldtimer. Ein altes Schwinn aus den Sechzigern. Alle Teile sind
original”, sagte Lucy traurig.
„Ein
Fahrrad lässt sich ersetzen. Du nicht.”
„Es ist so
lieb von dir, dass du gekommen bist. Ich weiß doch, wie viel du zu tun
hast.”
„Ja,
spinnst du? Nichts ist mir wichtiger als du oder Zoë. Sie wollte mitkommen,
aber eine von uns musste in der Pension bleiben.”
Sie hielt kurz inne. „Bevor ich's vergesse: Duane hat mich gebeten, dir zu
sagen, dass sie den Fehler an deinem Wagen gefunden haben. Er hat Probleme bei
der Kompression.”
„Was heißt
das?”
„Vielleicht
ein fehlerhaftes Ventil, kaputte Kolbenringe, defekte Zylinderkopfdichtung ...
Duane bringt den Wagen selbst in die Werkstatt, damit die da auch anständig
arbeiten. Keine Ahnung, wie lange das dauern wird.”
Lucy
schüttelte den Kopf. Sie fühlte sich erschöpft und desorientiert. „Mit dem
kaputten Bein kann ich wahrscheinlich sowieso eine Weile nicht fahren.”
„Dir steht
eine ganze Legion Biker zur Verfügung, die dich überallhin bringen, wohin du
möchtest ... Solange es dir nichts ausmacht, auf einer Harley
mitzufahren.”
Lucy
brachte ein schwaches Lächeln zustande.
Der Arzt,
ein schwarzhaariger Mann mit müden Augen und einem freundlichen Lächeln, trat
ein.
„Ich bin
Dr. Nagano”, sagte er und trat an Lucys Bett. „Erinnern Sie sich an
mich?”
„Vage”,
antwortete Lucy verlegen. „Sie haben mich aufgefordert, meine Nase zu
berühren. Und Sie haben nach meinem zweiten Vornamen gefragt.”
„Das gehört
zu den diagnostischen Tests. Sie haben eine leichte Gehirnerschütterung. Das
heißt, Sie brauchen ein paar Tage Ruhe. Und wenn ich mir Ihre Röntgenbilder so
anschaue, wird das kein Problem sein.”
„Sie
sprechen von meinem Bein? Ist es gebrochen?”
Dr. Nagano
schüttelte den Kopf.
„Oh,
gut”, meinte Lucy.
„Um ehrlich
zu sein, ein glatter Bruch wäre wünschenswerter. Knochen heilen leichter als
überdehnte Bänder.”
„Das habe
ich also? Ein überdehntes Band?”
„Drei
überdehnte und angerissene Bänder. Und einen Haarriss im Wadenbein. Das ist
der kleinere der beiden Unterschenkelknochen. Ich muss wohl nicht betonen,
dass Sie die nächsten drei Tage strikte Bettruhe halten müssen.”
„Ich darf
nicht mal von einem Zimmer ins andere gehen?”
„Richtig.
Sie dürfen das verletzte Bein nicht belasten. Überhaupt nicht. Legen Sie es
hoch und kühlen Sie es. Die Bänder werden einige Zeit brauchen, um richtig zu
verheilen. Wir geben Ihnen detaillierte Anweisungen mit nach Hause. In drei Tagen
kommen Sie wieder her. Dann passen wir Ihnen eine Orthese an, und Sie erhalten
Gehhilfen.”
„Für wie
lange?”
„Die
Orthese müssen Sie mindestens drei Monate tragen.”
„Großer Gott.”
Lucy schloss die Augen.
„Hat sie
noch andere Verletzungen?”, hörte sie Justine fragen.
„Schrammen
und Blutergüsse, nichts Schlimmeres. Am wichtigsten ist die Überwachung, falls
es irgendwelche Folgeerscheinungen der Gehirnerschütterung gibt ... Kopfschmerzen,
Übelkeit, Verwirrung. Wenn so etwas auftritt, muss sie sofort ins
Krankenhaus.”
„Verstehe”,
erwiderte Justine.
Als der
Arzt wieder fort war, öffnete Lucy die Augen und sah, dass Justine sich die
Stirn rieb, als versuchte sie, ein zerknittertes Stück Papier zu glätten.
„Oh”,
murmelte Lucy betroffen, als sie begriff. „Du und Zoë habt bereits mehr als
genug um die Ohren, nicht wahr?” In den letzten Tagen waren sie mit den
Vorbereitungen für eine große Hochzeitsfeier mit Empfang
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