Zebraland
erwartungsvoll an.
Etwas war kaputtgegangen. Es schien mir logisch, alles daran zu setzen, es wieder zu reparieren. Ich hielt Philipps Blick stand. »Ja«, sagte ich.
Nachdem Judith ihren Widerstand gegen Philipps Plan aufgegeben hatte, knieten sich die beiden so richtig rein. Gemeinsam hämmerten wir die Beule aus dem Kotflügel.
Es tat gut zuzuschlage n – mit aller Kraf t –, sonst an gar nichts zu denken.
Danach besserte ich den zerschrammten Lack aus. Tiefe Kratzer zogen sich über die gesamte rechte Seite. Bis wir schließlich auch den zertrümmerten rechten Seitenspiegel gegen ein ganz ähnliches Modell ausgewechselt hatten, vergingen fast fünf Stunden.
Anouk hielt sich von dem Auto fern. Stattdessen kochte sie uns einen Topf Spaghetti. »Überlässt uns hier die Drecksarbeit«, knurrte Judith mir zu. Aber die Nudeln aß sie trotzdem.
Als wir endlich fertig waren, war es bereits Nachmittag. Wir standen um das Auto herum und beäugten es kritisch von allen Seiten. »Wieder heil«, sagte Anouk und strich mit den Fingern über den neuen Lack, unter dem die Kratzer lagen wie verborgene Narben.
»Es wird niemandem auffallen, der es nicht weiß«, bemerkte Philipp.
Wäre es ein anderes Auto gewesen, ein ganz normales Auto, wäre ich stolz gewesen. Doch so war ich nur froh, dass ich es bald nicht mehr sehen musste.
Wir versuchten Elmars Werkstatt genau so zu hinterlassen, wie wir sie vorgefunden hatten. Die ganze Zeit über erwartete ich, er würde zurückkommen und uns in letzter Minute ertappen. »Lasst uns endlich abhauen!«, drängte ich.
Durch das offene Tor fiel ein breiter Streifen Tageslicht herein. Draußen sangen Vögel. Doch niemand rührte sich. Wir standen da, als wollten wir die beschissene Werkstatt nie mehr verlassen.
»Hey«, Philipp räusperte sich. »Es war ein Unfall! Das war nicht unsere Schuld, es wa r … es war einfach verdammtes Pech! Ich meine, wir haben uns zusammen entschieden, die Sache durchzuziehen und jetz t … Wir schaffen das schon!«
Er sah uns alle drei der Reihe nach an, als wollte er uns auf etwas einschwören. »Denkt dran, das Wichtigste ist jetzt, dass wir uns so normal wie möglich verhalten.«
»So, als wäre gar nichts passiert?«, fragte Judith.
Philipp reagierte nicht auf ihren sarkastischen Ton. Er blickte ihr in die Augen und sagte: »Ja, Judith. Als wäre gar nichts passiert.«
Anouk saß schon im Auto. Judith folgte ihr zögernd, widerwillig. Ich hörte sie etwas murmeln, was wie »Leichenwagen« klang.
»Soll ich dich auch nach Hause fahren?«, fragte Philipp. »Ist kein Problem.«
»Nee, lass mal. Ich laufe lieber«, antwortete ich.
Er nickte und stieg als Letzter ein. »Ach, Ziggy? Und sieh zu, dass du das Ding da loswirst«, sagte er beklommen, bevor er die Fahrertür zuschlug.
Das Ding. Er meinte Yasmins Handtasche. Ich wickelte sie in ein paar alte Lappen und klemmte sie mir unter den Arm.
Philipp ließ den Motor an und der reparierte Wagen rollte aus der Werkstatt. Anouk, die auf der Rückbank saß, hob kurz die Hand, als wollte sie mir zuwinken, ließ sie jedoch wieder sinken. Dann fuhren sie über den rissigen Asphalt der Einfahrt davon.
Ich ging hinter ihnen her und schloss das Tor ab.
Zum Schluss legte ich den Schlüssel wieder in den großen Blumentopf.
»Hallo, Fridolin! Na endlich!«, rief meine Mutter, als ich die Haustür aufschloss.
Hastig stopfte ich die Handtasche unter meinem weiten Pullover in den Bund meiner Baggys, da steckte Claudia schon den Kopf aus der Küche.
Das Leder der Tasche lag kühl an meiner nackten Haut.
»Himmel, was guckst du denn wie ’ne Kuh, wenn’s donnert?«, fragte Claudia und lachte. »Elmar hat zweimal angerufen. Er konnte dich auf dem Festival nicht mehr finden und wollte wissen, wo du steckst. Ich hatte gedacht, ihr fahrt zusammen dahin. Habt ihr euch gestritten?«
Ich zuckte die Achseln. »Nicht so schlimm.« Es kam mir so vor, als wäre unser Streit schon Jahrhunderte her.
»Na dann ist ja gut«, sagte meine Mutter. »Wie ist euer Auftritt gelaufen?«
»Hm, ganz okay«, brummte ich, ohne sie anzusehen. Die Tasche schien immer schwerer zu werden, schwer wie Blei. Sie zog mich vornüber zu Boden. Einen Moment lang hatte ich den wilden, wahnsinnigen Wunsch, das verdammte Ding einfach fallen zu lassen.
Meine Mutter würde es erstaunt aufheben und fragen: »Was ist das?«
Dann würde alles aus mir hervorbrechen wie eine reinigende Flut. Scheiß auf die anderen. Scheiß auf unseren
Weitere Kostenlose Bücher