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Zebraland

Zebraland

Titel: Zebraland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Roeder
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besten gehe ich gleich wieder.
    »Äh, wenn ich ungelegen komm e …«
    »Quatsch, komm rein!« Auf nackten Füßen läuft Anouk den Flur entlang.
    Ich trotte hinter ihr her und fühle mich wie ein grobknochiger Ackergaul. Wahrscheinlich rieche ich nach fünfzehn Bahnen auch wie einer.
    Wir gehen an der Treppe vorbei, die ins Obergeschoss des Hauses führt, und betreten die Wohnung von Philipps Großvater. Der Flur ist eng und es riecht ein bisschen muffig, nach kaltem Tabakrauch und altem Mann. Wenn Einsamkeit einen Geruch hat, denke ich, so würde sie riechen. Hinter Anouk betrete ich die Küche.
    Phils Opa war kein Freund von Neuerungen: Die cremefarbene Einbauküche ist in den 60er-Jahren bestimmt hochmodern gewesen. Jetzt wirkt sie ebenso altmodisch und aus der Zeit gefallen wie Herr Weißenbergs Mercedes.
    In der Mitte des Raumes steht ein Tisch mit geblümter Wachstuchdecke. Anouk lässt sich auf einen Stuhl sinken und rubbelt ihre Haare trocken.
    Ich bleibe stehen und betrachte ein Fläschchen kirschroten Nagellack, das auf dem Tisch steht. Es sieht genauso deplatziert aus, wie ich mich gerade fühle.
    »Wo ist Philipp?«
    »Ach, der ist drüben im Wohnzimmer und mistet aus«, plappert Anouk. »Eigentlich wollte sein Vater das ja machen, aber ich glaube, dem ist das im Moment einfach zu viel. Kein Wunder nach dem Schlaganfall von Philipps Opa. Jedenfalls machen wir das jetzt. Ist ganz schön schwierig, zu entscheiden, was es wert ist, aufgehoben zu werden. Manche von den Sachen gammeln da bestimmt schon seit Jahrzehnten vor sich hi n … Puh, du hättest mich niesen hören sollen, bestimmt zehnmal hintereinander! Deshalb mach ich gerade Pause. Willst du auch einen Keks? Die sind selbst gebacken.«
    »Danke.« Ziemlich erschlagen von Anouks Redeschwall, knabbere ich an einem Schokokeks. Wäre es unhöflich, wenn ich gleich rüber zu Phil ginge? Leider war ich in Small Talk noch nie besonders gut: »Un d … wie geht’s dir sonst so?«
    Anouk unterbricht kurz das Haaretrocknen: »Was meinst du?«
    Was wohl? Sonst noch jemanden totgefahren in letzter Zeit? Ich kann Leute nicht leiden, die um den heißen Brei herumreden.
    »Na ja, wegen des Unfalls. Kommst du damit klar?«
    Anouk neigt den Kopf, sodass ihre langen nassen Locken wie ein Schleier herabfallen und ihr Gesicht verbergen. »Oh, das«, murmelt sie. »Eigentlich möchte ich da nicht drüber reden. Am liebsten würde ich gar nicht mehr daran denken müssen.«
    »Ah, okay. Klar.«
    Peinliches Schweigen. Die Küchenuhr tickt.
    Anouk hat das linke Bein an den Körper gezogen und lackiert ihre Zehennägel.
    Füße sind mit Abstand die unästhetischsten Körperteile des Menschen. Aber selbst Anouks Füße sind hübsch. Zart und zierlich und makellos, so wie alles an ihr.
    Ich starre auf das winzige Pinselchen, mit dem sie den Nagellack aufträgt. Sie kleckst ziemlich viel, weil ihre Hände so zittern. Die Tropfen glänzen auf dem Küchenfußboden, rot wie Blut.
    »Ä h … also ich geh dann mal rüber zu Philipp«, sage ich lahm. Anouk hockt mit angezogenen Beinen auf dem Stuhl und sieht klein aus. Vielleicht hätte ich ihr sagen sollen, wie lecker ihre Schokokekse schmecken. Aber ich lasse sie einfach da sitzen und gehe.
    Die Wohnzimmerlampe erinnert mich immer an ein gläsernes Kuheuter. Ihr Licht fällt auf Phil, der gerade dabei ist, den großen Schrank auszuräumen. Auf dem Ohrensessel und neben dem Fernsehschränkchen türmt sich schon jede Menge Gerümpel.
    »Oh, hi, Judith. Kannst du mir das mal kurz abnehmen?« Er reicht mir einen Stapel Pappkartons. »Da müsste der Weihnachtsschmuck von meiner Oma drin sein. Vorhin habe ich gehäkelte Überzüge für Klorollen gefunden. Opa hat echt jeden Scheiß aufgehoben. Man könnte es ja irgendwann noch mal brauche n …«
    »Wie geht es deinem Opa eigentlich?«, frage ich.
    »Der schimpft schon wieder mit den Pflegerinnen im Heim, weil er der Meinung ist, dass sie seine Hemden nicht ordentlich zusammenlegen. Aber alleine wohne n … unmöglich, sagen meine Eltern. Du kannst ja mal mitkommen, ich besuch ihn jeden Sonntag. Na ja«, verbessert Phil sich, »letzten Sonntag nicht.«
    Wir blicken uns an. Ich kann in seinen Augen sehen, was letzten Sonntag passiert ist. Das ganze Chaos. Dass er auch ständig daran denken muss.
    Ich wünschte, er würde mich in den Arm nehmen. Ich wünschte, er würde mich nur ein einziges Mal so ansehen wie neulich Anouk, als er sie mit dem Schlafsack zugedeckt hat.
    Natürlich

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