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Zebraland

Zebraland

Titel: Zebraland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Roeder
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nur, um mich dazu zu kriegen, das zu tun, was er wollte. Trotzdem fand ich es in dem Moment ganz nett.
    »Dieses Zebra«, begann er, »ist das nur eine Anspielung auf Yasmins Spitznamen ode r …«
    »Es ist ein echtes«, unterbrach ich ihn.
    Auf diese Ankündigung hin musste Philipp erst mal sein Glas leeren. Ich auch. Nachdem wir mit Husten fertig waren, fragte er: »Es ist das im Streichelzoo, oder? Von dem Anouk uns erzählt hat.« Ich nickte.
    »Und?« In seinen grauen Augen lag ein lauernder Ausdruck.
    »Ich glaub nicht, dass ich das kann«, flüsterte ich.
    Ein plötzlicher Schmerz zuckte durch meine aufgeschürfte Haut. Philipp hatte Jod auf die Wunden geträufelt. Reflexartig versuchte ich die Hand wegzuziehen, doch er hielt mein Handgelenk fest.
    »Jetzt hör mir mal gut zu, Rastaman«, sagte er leise. »Ob du in dein Unglück rennen willst, ist mir scheißegal. Aber Anouk und Judith, die bedeuten mir was. Ich werde nicht zulassen, dass ihnen irgendwas passiert, nur weil du nicht die Nerven hast, die Sache zu Ende zu bringen. Hast du mich verstanden?«
    Oh ja, ich hatte ihn verstanden. Auf seine Art war Philipp mindestens so überzeugend wie Kerim. Ich nickte.
    Philipp begann meine Hände zu verbinden, er war erstaunlich geschickt und vorsichtig.
    Es war wirklich schwer, seiner Überzeugungskraft zu widerstehen.
    »Anouk, Judith und ich haben unseren Teil geleistet, jetzt bist du dran. Nur noch diese eine Sache, Ziggy, und es könnte vorbei sei n …«
    Ich wollte ihm so gern glauben.
    »Wir werden endlich wieder frei sein!«
    Das Blut an meinen Händen verschwand unter den weißen Binden.
    »Nur dieses Opfer noch, was ist das schon, nach all dem, was wir hinter uns habe n … Bald wirst du das Zebra vergesse n … Was haben wir für eine Wahl?«
    Ich wusste, Philipp hatte Recht. Wir hatten keine Wahl. Ich hatte keine.
    Wollte ich mein Leben wieder zurückhaben, musste ich die Aufgabe erfüllen.
    Ich musste Yasmins Zebra töten.

Judith
    Ich sitze auf einem Baumstamm und warte. Der Baggersee schimmert zwischen den roten Stämmen des Wäldchens. Die Luft duftet würzig nach Kiefernnadeln, Herbst und Vergänglichkeit.
    Um mir die Zeit zu vertreiben, bis die anderen kommen, ziehe ich meine zusammengerollte Ausgabe der Periskop aus der Jackentasche. Carsten hat sich in seinen neuen Job richtig reingehängt. Natürlich schreibt er nicht so glänzend wie Phil, aber sein Leitartikel über Yasmin und den Unfall ist ganz ordentlich. Ich überfliege ihn, mein Blick bleibt am letzten Absatz haften. Es ist ein herzzerreißender Aufruf von Yasmins Familie: »Bitte helfen Sie uns, den Schuldigen am Tod unserer geliebten Tochter und Schwester zur Verantwortung zu ziehen!«
    Es ist komisch, das zu lesen. Als richtete sich dieser Aufruf direkt an mich.
    Neben dem Artikel ist ein Foto von Yasmin, die gerade eine Katze streichelt. Es könnte ein Urlaubsfoto sein. Yasmin sieht mit einem unbeschwerten, kleinen Lächeln in die Kamera.
    Als dieses Foto aufgenommen wurde, hätte bestimmt niemand gedacht, dass sie nur achtzehn Jahre alt werden würde. Dass diese Katze sie überleben würde. In meine Gedanken schiebt sich das Bild von Yasmin, wie ich sie zuletzt gesehen habe: mit verrenkten Gliedern in einem anderen, dunkleren Wald. Wie hätte sie mein Verhalten wohl beurteilt?
    Als ich noch mal auf das Foto schaue, habe ich den Eindruck, dass in Yasmins Augen ein stummer Vorwurf, ein Tadel liegt. Schnell schlage ich die Zeitung wieder zu.
    So untätig herumzusitzen macht mich ganz kribbelig. Ich stehe auf, um am Strand nach ein paar leeren Dosen für unsere Übung zu suchen. Ich habe schon einige verrostete Exemplare aufgesammelt, als Philipp auftaucht. Er schiebt sein Fahrrad durch den Kies.
    Ich sehe ihn auf mich zukommen und mein Herz, mein bescheuertes, albernes Herz fängt an zu rasen. Weil Anouk nicht dabei ist, weil ich hoff e … Manchmal will ich auf meinen Brustkorb einschlagen, damit es aufhört. Damit es endlich still ist.
    »Hey, Judith«, begrüßt mich Phil, »ist Ziggy noch nicht da?«
    »Nein, ich bin die Erste. Wo hast du Anouk gelassen?«
    Ein Schatten huscht über Phils Gesicht. »Sie muss noch für Mathe lernen. Ist ja auch nicht so wichtig, dass sie dabei ist. Aber Zigg y … Ich sag dir, der würde am liebsten kneifen. Am Ende muss ich es noch selber machen.«
    »Es ist doch Ziggys Aufgabe!«, sage ich empört. »Er wird schon noch kommen.« Gleichzeitig wünscht ein Teil von mir Ziggy nach Jamaika oder

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