Zebulon
Genauso später in dem Hotel in Veracruz. Aber du kreuzt ja immer wieder auf.«
»Und was heißt das für uns beide?«
»Ich muss Ivan sehen, bevor er stirbt. Er hat auf den Goldfeldern einen Mann erschossen, in Calabasas Springs.« Sie stand auf. »Du musst nicht mitkommen.«
»Ich wollte, es wäre so«, sagte er und ging hinter ihr zur Tür hinaus.
Als sie das Hotel verlassen hatten, kaufte Zebulon zwei Pferde, und sie ritten südwärts nach Calabasas Springs, der spanischen Stadt, in der Ivan gehängt werden sollte.
K AUM HATTEN SIE S AN F RANCISCO hinter sich gelassen, änderte sich Delilahs Stimmung. Statt voranzudrängen, trödelte sie herum, sodass sie in gemächlichem Tempo durch die grüne Hügellandschaft mit ihren riesigen Eichen und Grüppchen wohlgenährter Rinder reiten konnten. Die einzigen Geräusche, die sie wahrnahmen, kamen von den Hufen ihrer Pferde und ihrem eigenen Atem, und dann, als wären sie in einen stillen, trägen Traum eingetaucht, hörten sie nicht einmal mehr diese.
Sie wurden aus ihren Träumen gerissen, als zehn, zwölf Kühe aus einem Abflussgraben geklettert kamen, gefolgt von einem
vaquero
mit breitkrempigem Hut, der unter lautem Rufen seine
reata
schwang. Als alle Kühe aus dem Graben heraus waren, zügelte der
vaquero
sein Pferd. Er war alt, und er hatte sichtlich schwere Zeiten hinter sich, doch so etwas wie diese beiden seltsam gekleideten Reisenden hatte er noch nicht gesehen. Wahrscheinlich ein reicher Geschäftsmann und seine Sklavin, dachte er, unterwegs zu einer der großen spanischen Ranches, die sich in der Mitte des Staates ausbreiteten wie feudale Königreiche. Doch genau wollte er es nicht wissen, deshalb bedachte er sie nur mit einem kurzen Gruß und ritt hinter seinen Kühen her davon.
Delilah spornte ihr Pferd in die entgegengesetzte Richtung an und schlug Zebulon mit der flachen Hand auf den Schenkel, als sie an ihm vorbeigaloppierte.
Lachend und schreiend sprengten sie über eine Wiese und hielten ihre Pferde dann am Ufer eines langsam fließenden Flusses an. Als Delilah sich vorbeugte, um Atem zu holen, zog Zebulon sie von ihrem Pferd und warf die sich schreiend und zappelnd Wehrende in den Fluss. Sie zogen sich im Uferschlamm aus und wälzten sich in enger Umarmung in dem seichten Wasser.
Plötzlich stand sie auf.
Er sah verständnislos zu ihr hoch.
»Ich kann nicht«, sagte sie.
»Wie meinst du das?«
»Muss ich denn immer wissen, was ich meine?«
»Ich besorge uns was zu essen«, sagte er.
Ohne sich erst wieder anzuziehen, nahm er sein Gewehr und watete durch den Fluss.
Nachdem er mehrere Kilometer zurückgelegt hatte, ohne irgendwelches Wild zu entdecken, bekam er das Gefühl, dass ihm jemand folgte. Man hörte kaum noch Vögel singen, und das Land war so still, als hielte es vor einem unbekannten Wesen den Atem an. Zuerst dachte er, es könnte ein Miwok-Indianer sein, ein einzelner Krieger von einem Stamm, den er nicht kannte, oder womöglich sogar ein Kopfgeldjäger. Er verwischte seine Fußspuren und kehrte in einem weiten Bogen an seinen Ausgangspunkt zurück. Er robbte durch hüfthohes Gras und sah, wie Delilah sich vorbeugte und am Boden nach seinen Spuren suchte. Er beobachtete sie, bis sie verschwand, dann überholte er sie in einem Bogen, um hinter hohem Gras versteckt auf sie zu warten und sie zu überraschen. Als sie nicht kam, ging er abermals zurück.
Doch auch dort war nichts von ihr zu sehen, und so machte er sich plötzlich Sorgen und rannte zum Fluss zurück.
Delilah lehnte an einem Baum. Ein paar Schritte entfernt briet ein wilder Truthahn am Spieß.
»Wenn der Wolf schweigt«, sagte sie, »geht der Mond auf die Jagd.«
In dieser Nacht schliefen sie nebeneinander und doch getrennt. Am nächsten Morgen überquerten sie den San Joaquín an einer Furt und ritten am Ufer des Tuolumne entlang, durch karges Land, in dem nur hie und da Eichenwäldchen, Erdbeerbäume und Heidekraut wuchsen.
Fünfzehn Kilometer vor Calabasas Springs näherten sie sich einer Ansammlung von Zelten und Hütten, die sich um eine halbfertige, aus Lehmziegeln gemauerte Cantina drängten.
»Wir brauchen einen Claim«, sagte Zebulon, als sie vor der Cantina absaßen.
Delilah zögerte, während sie zwei bärtige Männer anstarrte, die auf einer Bank saßen und abwechselnd aus einer Flasche tranken.
»Dem mit dem Bowlerhut kommst du bekannt vor«, sagte sie. »Keiner von beiden kann sich vorstellen, was du mit mir zu schaffen hast, oder ich mit dir,
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