Zebulon
alles verlassen, woran ich hänge … auch sie, um in der Welt zu sein, aber nicht von dieser Welt … Als ein portugiesischer Sklavenhändler meine Großmutter umgebracht und mich verschleppt hat, habe ich den Glauben an Gott verloren …«
Mitten in der Nacht, oder am nächsten Tag, schlug er die Augen auf.
Delilah blickte auf ihn herab.
»Weißt du, wer ich bin?« Ihre Stimme war ein leises Flüstern, wie ein Frösteln in Baumwipfeln. »Ich bin die eine, die in finsterer Nacht auf Erlösung ausgeht, die in Träumen im Innern von Träumen gefangen ist. Weil ich meinen Weg verloren habe, bin ich die Geisel von allem, was zwischen den Welten schwebt. Dich eingeschlossen.«
E R FOLGTE IHR , vorbei an den verlorenen Träumern, die zusammengerollt auf ihren Pritschen lagen, und dann eine gewundene Gasse hinab, um Abwasser herum, das aus Eimern auf die Straße geschüttet wurde, um ausrangiertes Bergbaugerät und Goldgräber, die auf durchnässten Brettern schliefen.
Am Wasser unten ließen sie sich auf einen Haufen Getreidesäcke fallen, die an einen umgestürzten Leiterwagen gestapelt waren, und schliefen ein, einer in den Armen des anderen. Vor ihnen breiteten sich langsam dicke Nebelschichten aus, über die Armada verlassener Schiffe im Hafen und die vielen Flussboote, die Dollbord an Dollbord längs der müde durchhängenden Landungsstege vertäut lagen.
Schrille Trompetenklänge und dumpfes Getrommel weckten sie.
Zehn, zwölf Männer in glänzend schwarzen Anzügen tauchten aus dem Nebel auf, als Marschkolonne hinter einer Frau mit rotem Fes und gelben Hosen, die ein Schild hochhielt, auf dem das Ende der Welt und die festliche Eröffnung des Paradise Hotel verkündet wurden.
Sie lehnten sich im Sitzen aneinander, und ihre Körper schwankten wie Rohr im Wind. Die Nacht hatte sie leer zurückgelassen, ohne Gefühl für Dringlichkeit oder Richtung, aller Träume und Absichten ledig. Der Nebel hatte sich aufgelöst, und die Sonne streute ihre Lichtstrahlen über die Bucht aus. Auf der Straße trieb ein pfeifender kleiner Junge einen Ball mit einem Stock vor sich her. Ein paar brasilianische Matrosen schlenderten Hand in Hand den
embarcadero
hinunter, gefolgt von einem Maultiergespann, das einen mit Bergbaugeräten beladenen Leiterwagen zog.
»Ich gehe allein weiter«, sagte sie. »Ich komme morgen zurück und suche hier an dieser Stelle nach dir. Wenn du nicht hier bist, weiß ich, dass an ein Ende gekommen ist, was immer zwischen uns war.«
Er blieb sitzen und sah zu, wie sie aufstand und ohne ein weiteres Wort von ihm fortging. Als sie sich endlich doch umsah, stand er auf und folgte ihr ans Ende des
embarcadero
und dann über einen schmalen grasbewachsenen Pfad, der durch verkrüppelte windgepeitschte Kiefern und Dickichte wilder Heckenrosen führte. Nach einem steilen Anstieg mit Blick aufs Meer blieben sie vor einer runden Hütte aus Reisig und Segeltuchbahnen stehen. Hinter der Hütte hingen Amulette und auf Stoffstreifen geschriebene Gebete von den Ästen einer hoch aufragenden Eiche. Die Holzfigur einer dreibrüstigen Frau bewachte den Eingang der Hütte. Eine kleinere Figur, ein grinsender Affe mit vorspringendem Bauch, stand dahinter, mit der Haut einer Klapperschlange um den Hals.
Delilah zog eine Segeltuchklappe vor den Eingang der Hütte. »Willkommen in meinem Heiligtum. Aber wenn du hineingehst, sei gewarnt: Es könnte sein, dass du nicht wieder herauskommst.«
Sie führte ihn zu einem Kreis glatter runder Steine am Rand einer steil abfallenden Felswand. Unter ihnen schwappten lange gekräuselte Wellen gegen die steinige Küste. So weit das Auge reichte, gab es kein Anzeichen von menschlichem Leben, bis auf einen Vollmastschoner, der sich nach Norden vorankämpfte.
Sie saßen schweigend im Inneren des Kreises. Als die Sonne verschwand, verließ sie ihn und kam mit einer Schüssel Wasser und einem Tuch zurück. Sie zog ihn aus und legte seine Kleider außerhalb des Kreises auf einen Haufen, dann tauchte sie das Tuch ins Wasser und wusch ihn von Kopf bis Fuß.
Sie sprach mit ihm, als müsste sie ein Kind belehren: »Du musst sauber sein, wenn du dich in den Kreis stellst. Sonst störst du die Geister.«
Sie reichte ihm das Tuch und die Wasserschüssel und entledigte sich ihrer Kleider, legte sie neben seine und erlaubte ihm dann, langsam das nasse Tuch über ihren Körper zu breiten.
Sie wurden von Toku gestört, der auf sie zukam. Er schleifte einen schweren Rupfensack hinter sich her,
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