Zebulon
schüttelte ein Tamburin und trug eine geflickte gelb-orangefarbene Robe, die ihm bis zu den Knöcheln reichte.
»Ich bin müde und sehr aufgebracht«, sagte er und ließ sich innerhalb des Kreises fallen. »Du hättest mir sagen können, wie lange es dauern würde, hierher zu gelangen. Und ich muss mein Geld haben, bevor ich anfange. Meine Geister arbeiten nicht umsonst.«
»Gib ihm zehn Dollar«, wies Delilah Zebulon an.
»Dreißig«, erwiderte Toku. »Und selbst dann tun sie dir einen Gefallen.«
»Fünfzehn«, widersprach Delilah.
Nachdem Zebulon ihn bezahlt hatte, griff Toku in seinen Sack und zog drei quiekende Meerschweinchen und einen Krummsäbel heraus. Er kauerte sich hin, schlitzte den Tieren kreuzweise den Bauch auf und steckte die Finger in ihre Eingeweide.
Er sah zu Delilah auf. »Du bist verwirrt, weil du nicht weißt, wer dich träumt. Dein Problem ist, dass deine Träume dich beherrschen und nicht umgekehrt. Du weißt nicht mehr, wie man auf der Erde steht. Zu lange hast du im Traumpalast herumgelungert und bist verlorenen Männern gefolgt.«
»Das hätte ich dir auch sagen können«, sagte sie.
»Du hast es aber nicht getan«, erwiderte er.
Er wischte sich die Hände an seiner Robe ab, sprang aus dem Kreis und schlug das Tamburin. Dann sprang er zurück, ging in die Hocke und untersuchte die Eingeweide erneut mit einem Stöckchen.
»Ich sehe eine Prophezeiung, die mehr ist, als ich angesichts deines umwölkten Geistes zu sehen erwartete. Du wirst einen Sohn bekommen, aber er wird seinen Vater nie kennenlernen. Da ist noch etwas anderes, das ich nicht verstehe: etwas in der Art, dass du nie fähig sein wirst, länger als einige Tage an ein und demselben Ort zu verweilen.«
Er zeigte auf Zebulon. »Das wird auch für dich gelten. Nicht dass das meine Sache wäre.«
»Was ist denn deine Sache?«, fragte Zebulon.
Toku ließ sich auf den Rücken fallen, gackerte wie ein Huhn und schlug mit den Händen auf die Erde. »Meine Sache? Meine Sache ist es, Geld zu verdienen. Warum wäre ich sonst in diesem Land? Eines Tages werde ich genug beisammen haben, um mir ein Restaurant zu kaufen. Und dann ein Hotel. Vielleicht kehre ich sogar in meine Heimat zurück und beteilige mich an einem Königreich.«
Er nahm zwei Würfel aus seinem Sack und rollte sie über die Erde, dabei murmelte er eine Beschwörung in einer fremden Sprache.
»Als du ein kleiner Junge warst, wollte dich jemand ertränken. Vielleicht war es dein Bruder. Der, der nicht dein richtiger Bruder ist. Oder vielleicht war es dein Vater. Wer immer es war, du lebst in einer großen Wirrnis. Seit damals hast du Angst vor dem Wasser. Wasser bedeutet für dich Tod, und ehe du nicht zu dem stirbst, der du bist, wirst du nicht fähig sein zu leben. Verstehst du? Du wirst immer auf Wanderschaft sein, um herauszufinden, wer du bist. Wie alle anderen auch in diesem verrückten Land.«
Er stocherte wieder in den Eingeweiden.
»Hat dir jemand ins Herz geschossen?«
»Ich glaube ja«, antwortete Zebulon.
»Du glaubst?«, sagte Toku »Was ist denn das für eine Antwort?«
»Kannst du endlich damit aufhören?«, fragte Delilah. »Ich habe dich nicht gebeten, hier heraufzukommen und über ihn zu reden.«
»Eins noch«, sagte Toku befremdet. »Dein Freund ist ein gewalttätiger Mensch, der getötet und eine Menge Unruhe gestiftet hat. Er denkt, Verdammnis ist Tod und Tod ist Verdammnis. Deswegen wandert er ruhelos umher wie ein Geist und weiß nicht, welcher Pfad ihm bestimmt ist.«
Schweigend durchsuchte er die Eingeweide, dann nickte er Delilah zu. »Für dich gilt dasselbe. Auch du bist immer nur auf der Durchreise. Das ist der Grund, weshalb es euch zueinander hinzieht und warum ihr nie zusammen sein werdet. Findet ihr das amüsant? Ich nicht. Ihr müsst einen Weg finden, einander zu helfen, damit ihr voneinander frei sein könnt. Vielleicht ist es das, was die Menschen hierzulande unter Liebe verstehen. Wer weiß? Ich nicht.«
Er nahm seinen Säbel und hob einen schmalen Graben aus. Dann wies er sie an, sich auf den Rücken zu legen, Kopf an Kopf. Nachdem er sie bis auf Augen und Nasenlöcher mit Erde bedeckt hatte, griff er in seinen Sack und holte eine runde Maske heraus, die einen grinsenden Affen darstellte. Dann begrub er die Maske zwischen ihren Köpfen.
»Diese Maske ist euer Gesicht und das Gesicht eines jeden, der je gelebt hat. Wenn ihr begreift, dass die Trennungen zwischen den Menschen Illusionen sind, werden die Geister
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