Zebulon
Delilah die Hand. »Aber nun, Gräfin, bitte ich Sie, von hier fortzugehen, bevor es zu spät ist. Mein Mann lässt mich im Stich. Er lässt mich und meine Kinder immer wieder im Stich, und er wird auch Sie im Stich lassen, Gräfin, wenn Sie Geschäfte mit ihm machen. Es gibt hier nichts für Sie, für niemanden. Verstehen Sie, was ich Ihnen sagen will? Gehen Sie nach China oder Portugal oder Indien. Gehen Sie in die Schweiz. Aber gehen Sie auf alle Fälle fort von diesem schlechten Land. Was sage ich zu Ihnen?«
»Sie sagen ihr
vamonos
!«, antwortete Zebulon.
»
Si
«, nickte sie, griff mit einer Hand nach einem Glas Wein und scheuchte sie mit der anderen zur Tür. »
Vamonos
in weite Ferne.«
Z EBULON F OLGTE D ELILAH über das dunkle Gelände, wo sie sich zwischen Betrunkenen und schlafenden Goldgräbern, zwischen Pferdewagen und Bergbaugeräten hindurchschlängeln mussten, dann über eine bröckelnde Mauer und um einen Korral herum zu einem Zelt, das am jenseitigen Ende eines Feldes aufgeschlagen war.
Im Inneren des Zeltes horchten sie auf das Donnergrollen aus den Bergen, dem Regengüsse folgten, die wie mit tausend kleinen Fäusten auf die dünne Zeltbahn eintrommelten.
»Ich wusste, dass du mich finden würdest«, sagte sie.
»Hast du’s dir gewünscht?«, fragte er.
»Ab und zu.«
So plötzlich, wie er begonnen hatte, hörte der Regen wieder auf.
Sie führte seine Hand an ihre Brust, dann weiter nach unten. Ihr Bauch war größer und runder, als er ihn in Erinnerung hatte. Und da war noch etwas anderes, etwas, dessen er sich nicht sicher war und das ihm Angst einflößte.
Auf einmal war nichts so wichtig wie sein Pferd. Soviel er wusste, war das Pferd tot, oder man hatte es ihm gestohlen. Nicht dass sich irgendwer die Mühe machen würde, eine auf dem letzten Loch pfeifende Rotschimmelstute mit eingesunkenem Rücken zu stehlen.
Er stand auf. »Ich muss nach meinem Pferd sehen.«
Sie streckte die Hand aus, um ihn am Bein festzuhalten.
Er kniete vor ihr nieder und legte den Kopf auf ihren Bauch, während sie ihm das Haar streichelte. Dann war er in ihr, und sie hielten still im Zentrum von allem, was sich bewegte.
Bis sie ihn wegstieß.
Durch die offene Zeltklappe sahen sie den Gefängnisdirektor, der mit einem halben Dutzend Männern auf sie zugeritten kam. Hinter ihnen und vor dem Fort stand Frau Sutter mit einem älteren Mann in leuchtendroter Uniform mit Kokarde, bei dem es sich nach Zebulons Vermutung um Sutter handeln musste. Während sie aus dem Zelt traten und sich anzogen, tauchten noch mehr Männer und Frauen auf den Wagen und den Bastionen des Forts auf.
Er zog die kleine goldene Schale des Direktors aus seiner Westentasche und drückte sie ihr in die Hand.
»Die kannst du im Fort oder in San Francisco verkaufen. Du bekommst dafür so viel, dass du hinkannst, wo du willst.«
»Ich muss mit dir gehen.«
»Ich finde dich«, sagte er.
Er rannte über das Feld und im Bogen auf das Fort zu.
Als der Direktor herangekommen war, packte sie einen Steigbügel und zeigte mit der anderen Hand nach Osten.
»Der Schweinehund hat mich vergewaltigt«, stöhnte sie. »Er ist in die Berge gelaufen.«
Der Direktor stieß sie zu Boden und galoppierte mit seinen Männern Richtung High Sierras davon.
Delilah erreichte den Korral und bekam das Tor auf. Zebulon hatte unterdessen bereits ein Pferd in die Enge getrieben. Mit einem Satz sprang er hinauf und ritt an ihr vorbei.
Ein Schuss knallte, eine Kugel streifte ihn am Kopf. Eine zweite Kugel riss eine Fleischwunde in seinen Arm.
Es gelang ihm, sich an der Mähne des Pferdes festzuhalten, bis er außer Schussweite war.
Z EBULON RITT DIE GANZE N ACHT hindurch, bis sein Pferd im Morgengrauen am Ende war. Er ging noch fünf Kilometer zu Fuß, dann schlief er am Ufer eines Bachs ein. Als er erwachte, stand die Sonne direkt über ihm, und niemand verfolgte ihn.
Er ging weiter, auf eine Kette buckliger Berge zu. Vereinzelte Gruppen von Kühen und einmal, in weiter Ferne, ein Zug Reiter waren die einzige Lebenszeichen. Er wartete, bis sie verschwunden waren, dann wanderte er die ganze Nacht und den nächsten Tag hindurch weiter.
Es war fast dunkel, als er ein an einen Baumstamm genageltes Schild erblickte:
WILKOMEN IN GREASY SPRING
TOHR ZUR H
Er stolperte noch ein Stück weiter, doch dann versagten seine Beine den Dienst, und ihm schwanden die Sinne.
Er erwachte in einem Graben. Seine Rippen waren geprellt, und am Kopf hatte er eine Beule. Ein
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