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Zebulon

Zebulon

Titel: Zebulon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolph Wurlitzer
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Frosch quakte, und ganz in der Nähe fraß ein stoisch kauender Ziegenbock Abfälle.
    »Wer ist da unten?«, rief jemand.
    Niemand, dachte er, nur der gute alte Zebulon Shook. Der seinen kaputten Arsch über die ausgewaschene Straße der Schmerzen schleppt.
    Der Ziegenbock ließ ihn an seinen Vater denken. Er fragte sich, was der alte Bastard jetzt wieder treiben mochte. Wahrscheinlich war er an einem neuen Claim dran. »Je höher oben, desto besser« – das war immer sein Motto gewesen. Möglichst weit weg von den Flachländern und Bauern.
    »Wenn Sie nicht tot sind, Mister, dann sagen Sie was«, ließ sich die Stimme vernehmen.
    War das seine eigene Stimme oder die von jemand anderem? Er erinnerte sich an eine andere Zeit, in einem anderen Graben. Er war nicht tot. Da war er sich ganz sicher. Nicht dass es so schlimm gewesen wäre, tot zu sein. Alles, wenn man nur davor sicher war … seither immer auf Achse. Er hörte einen Trommelwirbel, oder vielleicht Donner, danach Gewehrschüsse. Irgendein Fest wahrscheinlich. Der Ziegenbock kam näher, starrte mit melancholischen Augen auf ihn herab. Hätte er eine Pistole gehabt, dann hätte er ihn erschossen, nur um obenauf zu sein.
    Ein barfüßiger kleiner Junge in einem zerrissenen Overall kam auf ihn zu, einen Rupfensack in beiden Händen.
    »Sind Sie der Mann, den’s in dem Saloon erwischt hat?«, fragte der Junge. »Der Karten gespielt hat, und dann hat einer auf ihn geschossen. Das waren nicht Sie, oder?«
    In dem Sack wand sich etwas.
    »Nur ein paar Klapperschlangen«, erklärte der Junge. »Ich schleich mich an sie an, wenn sie auf Frösche gehen. Aber ich muss aufpassen, dass sie mich nicht beißen.«
    Der Junge drehte sich um, weil aus der Stadt wieder Schüsse zu hören waren.
    »Wir haben da eine Riesenschießerei am Laufen. Ich hab schon drei gesehen, die nicht mitgerechnet, bei der’s meinen Onkel Ezra erwischt hat, aber der war selber schuld. Haben Sie Onkel Ezra gekannt?«
    Das Trommeln hörte sich an, als käme es aus seinem Kopf.
    »Sind Sie ein Geist, Mister?«, fragte der Junge.
    »Vielleicht«, antwortete Zebulon. »Was würdest du sagen?«
    »Ich glaub, Sie sind einer. Aber ich hab keine Angst, falls Sie das meinen.«
    »Das ist gut«, sagte Zebulon. »Dann wird jetzt kein Geist aus dir.«
    »Passiert das, wenn man erschossen wird?«, fragte der Junge. »Man wacht auf und merkt, dass man ein Geist ist?«
    »Nur wenn man Angst hat oder nicht weiß, was man tut.«
    »Wie Sie?«
    Der Junge folgte ihm, als er aus dem Graben kroch und auf Greasy Springs zuging – eine Schlammstraße mit Holzhäusern, die sich um einen Saloon, ein Gefängnis und eine Schmiede gruppierten. Hinter der Straße erstreckten sich grüne Wiesen bis zu den Vorbergen und den verschneiten Gipfeln.
    Am Ende der Straße hockten zehn, zwölf Männer hinter Pferdewagen und Holzstößen. Alle zielten mit Gewehren, Schrotflinten und Pistolen auf den Last Chance Saloon, ein großes, zweistöckiges Gebäude, in dem auch ein Hotel und ein Friseursalon untergebracht waren.
    Hin und wieder feuerte einer einen Schuss ab und duckte sich dann hinter den Wagen, um nachzuladen – oder einen Schluck aus der Flasche zu nehmen, oder ein Hühnerbein zu essen, oder sich eine Scheibe von einem der zwei gebratenen Schweine zu schnappen.
    Zebulon und der Junge legten sich hinter einen Wagen neben einen stattlichen Mann mit grauen Koteletten und einem Sheriffstern an seinem roten Unterhemd.
    »Ich brauche einen Arzt«, sagte Zebulon.
    »Der Doc ist drinnen«, sagte der Sheriff. »Wenn Sie ihn brauchen, seien Sie mein Gast.«
    Er musterte Zebulon von Kopf bis Fuß, verwundert über den eleganten Schnitt seiner Leinenhosen und des Seidenhemds. »Geschäftsmann?«
    »Kopfgeldjäger«, erwiderte Zebulon. »Hab ein bisschen was abgekriegt bei der Jagd nach Gefangenen, die aus dem Gefängnisschiff in Sacramento ausgebrochen waren. Ein paar gebrochene Rippen. Vielleicht eine Kugel knapp an der Pumpe vorbei.«
    »Hab von dem Ausbruch gehört«, sagte der Sheriff. »Zebulon Shook, glaub ich, hat er geheißen, und noch so ein paar Desperados. Ein übler Haufen, wenn Sie mich fragen.«
    Eine Kugel aus dem Saloon zerriss das Schwanzbrett des Wagens, und ein Splitter drang in das Bein des Sheriffs.
    »Wer hat sich da drin verschanzt?«, erkundigte sich Zebulon.
    Der Sheriff zog mit ruhigen Bewegungen seine Hose aus und entfernte den Splitter. »Irgendein Mountain Man kam gestern Abend mit Zahnschmerzen in den Ort

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