Zehn Jahre nach dem Blitz
ausdrücken –
höchst kunstfertige Weise. Und wenn dieser Anruf mich erreicht, werde ich ein zweiwöchiges Saufgelage veranstalten. Er begann augenblicklich mit dem Warten. Nach seiner runden, altmodischen Taschenuhr war es neun Uhr morgens, Londoner Ortszeit. Und auf ganz bescheidene Weise leitete er schon jetzt die Feier ein: er nahm eine winzige Prise von Mrs. Clunys bestem Schnupftabak für jedes Nasenloch.
Auf dem öffentlichen Korridor im Hauptgeschoß der New Yorker Agentur trat Joseph Adams, als weit und breit niemand in Sicht war, hastig in eine Münzvideophonzelle. Er schloß die Tür hinter sich und warf unbeholfen eine Münze ein.
»Kapstadt, bitte. Die Villa von Louis Runcible.« Er zitterte so heftig, daß er den Hörer kaum ans Ohr halten konnte.
»Sieben Dollar für die ersten ...« sagte der Vermittler; es war ein tüchtiger, munterer Bleierner.
»Schon gut.« Er schob ein Fünfdollarstück und zwei Eindollarmünzen in den Schlitz, und als die Verbindung hergestellt wurde, legte Adams mit einer krampfhaft hastigen, aber sorgfältigen Bewegung ein Taschentuch über den Sichtschirm; damit hatte er den Sichtteil der Verbindung unterbrochen, und es bestand nur noch die Tonverbindung.
An seinem Ohr sagte eine weibliche Stimme: »Miss Lombard, Mr. Runcibles Sekretärin. Wer spricht da, bitte?«
Joseph Adams mußte sich nicht bemühen, seine Stimme zu verstellen, da sie ohne sein Zutun rauh und unkenntlich klang. »Ich habe eine überaus dringliche Nachricht, die nur für Mr. Runcibles Ohren bestimmt ist.«
»Wer spricht da, bitte? Wenn Sie ...«
»Ich kann nicht«, knirschte Joseph Adams. »Vielleicht ist die Leitung angezapft. Vielleicht ...«
»Was ist los, Sir? Können Sie bitte etwas lauter sprechen? Und das Bildsignal kommt anscheinend nicht durch. Könnten Sie es noch einmal auf einer besseren Leitung versuchen?«
»Nein«, sagte Joseph Adams. Ich kann das Risiko nicht einge hen, dachte er furchtsam.
»Ich werde Sie durchstellen, wenn Sie sich einen Augenblick gedulden ...«
Er hängte den Hörer ein.
Er nahm, noch immer zitternd, das Taschentuch vom Bildschirm, erhob sich und verließ die öffentliche Videophonzelle. Nun, fast hätte er es geschafft. Ich habe es zumindest versucht, sagte er sich. Ich war so nahe daran.
Dann vielleicht ein Telegramm? Ein eingeschriebener Eilbrief, ohne Absender und mit ausgeschnittenen Zeitungsbuchstaben?
Er wußte, er konnte es nicht, konnte es niemals tun. Tut mir verdammt leid, Louis Runcible; die Bande sind zu stark. Die Fesseln sind zu alt und fest. Ich habe sie verinnerlicht, und nun handeln sie selbständig wie ein Teil von mir; sie leben in meinem Innern. Lebenslang. Jetzt und in alle Ewigkeit.
Ohne Hast entfernte er sich von der Videophonzelle, und im Gehen spürte er, wie eine Schale der Betäubung in seinem Innern ihn begleitete. Zurück zu seinem eigenen Büro. Als wäre nichts geschehen.
Und es war nichts geschehen. Das war die gallenbittere Wahrheit: nichts, gar nichts war geschehen.
Das Etwas würde sich also aus eigener Kraft weiterbewegen. Eine Kraft, die er nicht verstand, wesentlich, aber fern, entzog sie sich selbst dem Rand seiner Wahrnehmung: Formen, die sich über den Himmel seines Lebens schwangen und keine Spur, kein Gefühl zurückließen; er fühlte sich blind, furchtsam und hilflos. Und es existierte nichts anderes für ihn.
Und während er voranschritt, regte es sich. Er spürte, wie es vorwärts drängte. Wie es eine unbeirrbare Richtung ansteuerte: geradewegs voran.
18
Über den kurzgeschorenen grünen Rasen, der jetzt verlassen dalag, weil es Nacht war und die Bleiernen unbeweglich in ihren Lagerschuppen ruhten, rollte die Maschine auf Hartgummirädern; sie bewegte sich lautlos und orientierte sich an dem Rückhall der radarähnlichen Signale, die sie auf einer gewöhnlich nicht benutzten Frequenz ausstieß. Die Signale wurden jetzt in Abständen zurückgeworfen, die der Maschine mitteilten, daß das große Steingebäude – das Ziel der ersten Phase seiner homöostatischen, aber vielschichtigen Reise – genau in ihrem Weg lag, und sie verlangsamte ihr Tempo, bis sie schließlich geräuschlos gegen die Hauswand stieß und einen Augenblick zum Stillstand kam, als die nächste Phase ihres Zyklus in die richtige Position einrastete.
Klick. Die zweite Phase hatte begonnen.
Mit Hilfe von Saugschalen, die an feststehenden Achsen aus der energiegetriebenen, rotierenden Mittelwelle ausgefahren wurden,
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