Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall
Strategien zu erraten.
Die Bullen müssen doch völlig verzweifelt sein. Sechs perfekte Morde und noch immer keine heiße Spur zum Täter. Und dann diese Scheiß-Angst, dass sie auch die nächsten vier Morde nicht verhindern können, tatenlos zuschauen müssen, wenn ich meinen genialen Plan erfolgreich zu Ende bringe.
Was haben sie denn schon gegen mich in der Hand? Projektile und Patronenhülsen, die von einer nicht registrierten Waffe stammen. Meine DNA? Dass ich nicht lache! Sie haben die DNA eines Phantoms, eines nicht registrierten Menschen. Eines Elitesoldaten, der mit neuen Papieren, mit einer perfekten Legende, einer neuen Identität ausgestattet wurde. Von Vorgesetzten, die sich niemals zu dieser Killermaschine und zu den Einsätzen bekennen werden, die sie selbst in Auftrag gegeben haben. Weil ihnen diese illegalen Aktivitäten das Genick brechen würden. Und davor haben sie so großen Schiss, dass sie alles unter den Teppich kehren werden – alles!
Sie können mir gar nichts, denn ich trage eine Tarnkappe. Wie der Zwergenkönig Alberich im Nibelungenlied. Ich bin unsichtbar. Keiner wird mich jemals zu Gesicht bekommen.
Weil mich keiner sehen kann – und weil mich keiner sehen darf .
Noch bevor die Bullen richtig verstehen werden, wie sehr ich sie verarscht habe, bin ich bereits für immer von der Bildfläche verschwunden. Interpol wird mich suchen. Ja und? Wen sollen sie denn suchen? Die Top-Secret-Akten über mich wurden inzwischen garantiert alle vernichtet. Offiziell sind meine Kameraden und ich schon seit vielen Jahren verschollen oder tot. Perfekte Inszenierungen, um ein Geheimkommando zusammenbasteln zu können, das überall auf der Welt lautlos zuschlagen kann.
Also steht meiner goldenen Zukunft nichts mehr im Wege. Einer Zukunft, in der mich diese Flashbacks und dieser ganze Trauma-Scheiß hoffentlich nur noch selten nerven werden. Aus weiter, weiter Ferne werde ich mich noch viele Jahre über meinen gelungenen Coup amüsieren.
Anders als mein Namensvetter, dieser bescheuerte Sniper von Washington. Auch er hat zehn Leute erschossen, aber was hat er davon gehabt? Erst verrottete er jahrelang in irgendeinem Amiknast und dann gab man ihm die Todesspritze. Dilettant! Zivilist!
Aber die Idee mit den zehn Millionen war gar nicht so schlecht. Dollar – ich will Euro! Nur war seine Strategie ein totaler Flop. Was für ein Schwachsinn: Offiziell die US-Behörden zu kontaktieren und seine Forderungen zu stellen. Dabei gibt es doch diese wunderbaren dunklen Kanäle zu den strenggeheimen Geldquellen, mit denen unsere Aufträge finanziert wurden.
Von meiner Erpressung wird die Öffentlichkeit nie etwas erfahren. Weil die, von denen ich mein Schweigegeld kassieren werde, es sich nicht leisten können, die Sache publik zu machen. Die Folge wäre ein riesiger Skandal, bei dem eine Menge Köpfe rollen würden. Und davor haben sie panische Angst, diese elenden Bürokratenärsche.
Ich habe den Ehrenkodex der Verschwiegenheit gebrochen. Ja und? Der Zweck heiligt die Mittel! Ich pokere eben hoch. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt! Ich werde es ihnen zeigen. Sie sollen jeden Tag bereuen, dass sie mich mit kalter Hand abserviert haben! Mein Anruf ist ihnen gewaltig in die Knochen gefahren. Der hat sie vor Schock gelähmt. 10 Millionen Euro – ein stattliches Sümmchen! Damit kann ich bis zu meinem Lebensende locker auskommen.
Wie ein fauchender Drache stieß er einen Schwall Luft durch die Nase. Pah, der Sniper von Washington, höhnte er in Gedanken. Was für ein unfähiger Blindgänger! Im Gegensatz zu diesem stümperhaften Amateur bin ich ein waschechter Profi! Und ich bin bereits heute eine Legende, eine lebende Legende! Ich werde in die Kriminalgeschichte eingehen. Die Zeitungen sind schon heute voll mit Berichten über mein Meisterwerk.
Aber es ist erst perfekt, wenn es vollendet ist. Erst dann ist es vollkommen und wird das sein, was nur die wirklich große Kunst erreichen kann: Zeitlos zu sein und bis in alle Ewigkeit hinein bewundert zu werden.
Zurück im Lagezentrum der SOKO ›Sniper‹ ging Hauptkommissar Wolfram Tannenberg direkt zu der Landkarte, in die er die bisherigen Tatorte eingezeichnet und mit Linien verbunden hatte. Er markierte den Fundort des 6. Opfers mit einem roten Kreuz. Danach zeichnete er eine Gerade von diesem Punkt aus zu dem von Eva via Geoprofiling vermuteten Lebenszentrum des Täters.
»Ein Fadenkreuz«, rief Sabrina.
»Tatsächlich«, stimmte ihr Ehemann zu. »Ein
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