Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall
Klauen eines Serienkillers.«
Erst jetzt schienen die Fahrgäste zu begreifen, mit wem sie es zu tun hatten. Vor Entsetzen verwandelten sich ihre Gesichter in versteinerte, aschgraue Masken.
Während die schockierten Menschen kurze, verzweifelte Schreie ausstießen oder ihre weit aufgerissenen Münder mit der Hand verschlossen, fuhr John fort: »Eines gefährlichen Gewaltverbrechers, der die ganze Region tagelang in Angst und Schrecken versetzt hat. Der aus dem Hinterhalt sechs Sportler abgeknallt hat und der noch vier weitere abknallen wird. – Und warum das alles?«
Keine Antwort, nur leises Greinen und Wimmern.
»Wollt ihr das wissen?«
Um den Geiselnehmer nicht zu provozieren, antworteten mehrere der völlig eingeschüchterten Businsassen: »Jaaaa.«
»Ätsch, ich erzähl’s euch aber nicht«, gab John grinsend zurück. Er führte den Daumen seiner ausgespreizten linken Hand zur Nase und produzierte dabei ein Geräusch, das an einen tuckernden Rasenmähermotor erinnerte.
Anschließend räusperte er sich ausgiebig. »Komm, mein liebes Katharinchen, ruf noch mal bei den Bullen an und frag, wann denn endlich meine Maschine kommt.« Er kratzte sich mit dem Metallkorn seiner Pistole am Kinn und schnitt dabei eine Grimasse. »Und sag ihnen auch, dass ich bei zeitlicher Verzögerung alle Viertelstunde eine weitere Geisel erschießen werde.«
Katharina übermittelte brav die neuen Informationen.
»Sie wollen schnell noch mal nachfragen, wo das Motorrad bleibt«, erklärte sie auf Johns ungeduldigen Blick hin. Etwa zehn Sekunden später verkündete sie, dass die Geländemaschine bereits in der Fußgängerzone angekommen sei.
»Der Bulle, der sie an den Bus bringt, darf nicht mehr als seine Unterhose anhaben«, forderte John. »Und er soll die Enduro mit laufendem Motor hierher schieben.«
»Geht klar, soll ich Ihnen ausrichten«, versetzte Katharina, nachdem sie von dem SEK-Einsatzleiter die Bestätigung erhalten hatte.
»Okay. Dann sage ihnen noch, dass sie die Straße frei räumen sollen. Wir machen eine kleine Spritztour. Und erinnere sie noch mal daran: Wenn sie versuchen sollten, mich irgendwie zu linken, gibt es hier ein Massaker.«
»Der will tatsächlich mit seinen Geiseln aus der Stadt verschwinden«, meinte Tannenberg. Nervös ging er ein paar Schritte auf und ab.
Weber reagierte ausgesprochen erfreut auf diese Ankündigung. »Sehr gut«, sagte er. »Dadurch reduziert sich die Gefährdung der Bevölkerung beträchtlich. Und unser Zugriff kann bedeutend einfacher und effektiver erfolgen. Ich schlage vor, wir warten erst mal ab, ob er nicht vielleicht doch vorhat, alleine mit seinem Motorrad zu flüchten. Falls nicht, können wir immer noch irgendwo im freien Gelände eine Straßensperre errichten und den Bus stürmen.«
»Sehr vernünftig, Herr Weber«, lobte der SOKO-Leiter. »Genauso machen wir’s.« Anschließend wies er per Walkie-Talkie die Einsatzkräfte in der Fruchthallstraße an, die Straße für die Durchfahrt des Linienbusses freizugeben.
Durch den Feldstecher beobachtete er, wie ein SEK-Beamter seine Kampfmontur auszog und lediglich mit einer Unterhose bekleidet ein rotes Geländemotorrad zum Bus schob. Direkt vor den Flügeltüren hievte er die Enduro auf den Hauptständer. Mit erhobenen Händen wandte er sich um und eilte zurück zu seinen Kollegen.
Die hintere Tür öffnete sich und zwei junge Männer traten vorsichtig aus dem Bus heraus und näherten sich von beiden Seiten der Maschine. Einer von ihnen drehte am Gasgriff, woraufhin der Motor laut aufheulte. Anschließend verstummte das Geknatter und die beiden Männer verfrachteten das Motorrad in den Bus. Für das Hochhieven der circa 200 Kilogramm schweren Maschine benötigten sie mehrere Anläufe. Nach etwa drei Minuten schweißtreibenden Schuftens hatten sie es endlich geschafft und die Flügeltüren schoben sich hinter ihnen mit einem satten Geräusch zusammen.
Von einer direkt am Hinterausgang des Busses befindlichen Sitzreihe aus hatte John die ganze Zeit über in geduckter Körperhaltung Kommandos erteilt und den reibungslosen Ablauf der Aktion überwacht.
»Mann, war das anstrengend«, stöhnte der dickere der beiden Studenten, der etwa eineinhalb Meter von John entfernt hinter der Enduro stand.
Er lehnte mit dem Rücken an einer Sitzbank und wischte sich mit dem Handrücken Schweißperlen aus seinem puterroten, teigigen Gesicht. Seinem Freund merkte man den körperlichen Einsatz bedeutend weniger an. Zwar
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