Zeichen im Schnee
auf Englisch. «Wie soll man denn eine Eisliste runterfahren, Himmel noch mal!»
«Hab ich doch gesagt!», meinte sein Begleiter. «Hör einfach richtig hin!»
Als sie mit den Schneemobilen fertig waren, zerrten sie Sammy und Derek auf die Füße, schleiften je einen Mann auf ein angehängtes Schneemobil und setzten sie aufrecht hin, die Hände um den Lenker gelegt. Aus irgendeinem Grund löste der Mann mit der Elchnase Edies Fußfesseln – vielleicht, weil sie sie für weniger gefährlich hielten – und befahl ihr, rittlings hinter ihm Platz zu nehmen.
Sie drehte sich zu Sammy und Derek um. Falls sie Angst hatten vor dem, was kam, ließen sie sich nichts anmerken. Man konnte über Inuit-Männer sagen, was man wollte, aber wenn’s drauf ankam, waren sie zäh wie Walrosshaut. Die Frauen auch. Um Derek machte sie sich die meisten Sorgen. Er hatte im Rasthaus seinen Fleecepullover ausgezogen und war für die Wetterverhältnisse völlig unzureichend gekleidet. Der Polizist mochte zwar zäh sein, aber er war trotzdem ein Mensch.
Sie fuhren über den Strand auf das Meereis zu. Sie spürte die Körperwärme des Entführers vor ihr. Sein breiter Rücken schützte sie wenigstens ein bisschen vor dem Wind.
Edie drehte den Kopf hin und her und versuchte verzweifelt, das Rasthaus in den Blick zu bekommen, während es im Schneetreiben verschwand, aber es gelang ihr kaum, mit auf den Rücken gebundenen Händen das Gleichgewicht zu halten, außerdem war der Himmel ein formloses Weiß und die Grenze zwischen Himmel und Erde kaum auszumachen. Hinter sich konnte sie Sammy und Derek sehen, die Beine fest um die Schneemobile geklammert, um den Halt nicht zu verlieren, während sie über die Eisdecke rumpelten. Es war ihr völlig klar, dass die Männer einfach weiterfahren würden, falls einer von beiden runterfiel, und ihr Gefühl sagte ihr, dass Sammy und Derek das auch wussten.
Während die Entführer sich einen Weg über den Pressrücken suchten, wo das Küstenfesteis auf das Packeis stieß, und weiter raus auf die glatte Eisfläche auf dem Nortonsund, wusste Edie plötzlich, dass sie alle drei raus auf den Sund gebracht werden sollten, um dort zu sterben. Ein heftiger Adrenalinschub tobte durch ihre Adern, fast hatte sie das Gefühl, selbst flüssig zu werden. Sie biss sich fest auf die Lippe, zwang sich, nicht den Kopf zu verlieren. Wenn sie keinen klaren Kopf behielt, wie konnte sie es dann von Sammy und Derek erwarten?
Die Männer gaben Gas, rasten in südwestlicher Richtung in den wirbelnden Schnee hinein. Ohne Kälteschutzkleidung fühlte sich jeder Windstoß an wie ein tätlicher Angriff. Die Kälte schlug ihr ins Gesicht, zerrte an ihren Ohren, zwang sie, die Augen zu schließen. Sie wollte sich zusammenkauern, sich mit ihren Schultern beschützen, doch mit den Armen auf dem Rücken ging das nicht. Sie begann, unkontrolliert zu zittern. Die Zuckungen kamen und gingen wie Wellen, die an einen Kieselstrand schlugen. Edie holte tief Luft, zwang ihr Bewusstsein zu einer Reise durch den Körper, spannte Muskelgruppe für Muskelgruppe an und ließ wieder los. Das wiederholte sie so lange, bis die Körperwärme das Zittern vertrieben hatte. Dann riss sie den Kopf herum. Hinter ihr hopste Derek noch immer auf dem Sattel, sein Körper gekrümmt und starr, die Augen gegen die unglaubliche Kälte fest zugekniffen. Die Fesseln hielten ihn fest, ohne ihn zu stützen. Seitlich von ihr konnte sie Sammy durch den wirbelnden Schnee gerade so erkennen. Hier auf dem Meereis herrschten sicher minus 28 Grad, sogar minus 35 , wenn man den Wind berücksichtigte. Ohne ihre Kälteschutzkleidung würde schon bald ihr Urteilsvermögen leiden, womit die Unterkühlung begann.
Egal, wo es hinging, Edie hatte keinen Zweifel, dass sie sich auf einer Reise ohne Wiederkehr befanden.
Sie spürte, dass sie die Kontrolle über die Muskeln in ihren Gliedmaßen verlor. So sehr sie es auch versuchte, ihr Körper ließ sich nicht überlisten. Sie zitterte jetzt heftig, in Fingern, Nase und Ohren pochte die Kälte, und obwohl sie die Augen geschlossen hatte, spürte sie, wie ihre Tränen zu winzigen Eistropfen gefroren. Bald schon würde sie keinen Schmerz mehr spüren. Dann würde ihr Verstand auf Reisen gehen, und sie würde anfangen zu halluzinieren. Schließlich würde sie der übermächtige Wunsch nach Schlaf überwältigen, und dann wäre alles vorbei.
Sie hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, als sie spürte, dass das Schneemobil die
Weitere Kostenlose Bücher