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Zeichen im Schnee

Zeichen im Schnee

Titel: Zeichen im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie McGrath
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entwickelt. Niemand kann sie mit irgendwas von alledem in Verbindung bringen.»
    Edie zog die Schneebrille herunter. Sie musste an ein Sprichwort ihrer Mutter denken. Die großen Jäger sind aus geduldigem Holz geschnitzt, hatte sie immer gesagt.
    «Noch nicht», antwortete sie.
    Derek startete Zachs Fahrzeug und ließ den Motor warm laufen.
    Edie tat es ihm gleich. «Wie wär’s, wenn wir sie selbst fragen?»
    Derek fuhr herum. Seine Augen leuchteten. «Heute Abend?»
    «Warum nicht?»
    Derek lachte. «Zum Teufel! Ja!»
    Es gab zwar eine geräumte Fahrspur, die von Nome entlang der Küste nach Safety führte, aber sie beschlossen, die Schneemobile stattdessen über den Pressrücken raus aufs flache Eisfeld zu lenken, wo es sich leichter fahren ließ. Auf dem Weg raus auf das Eis versuchte Edie, die Ermittlungen aus ihren Gedanken zu verbannen. Sie wollte Sammy sauber gegenübertreten, unbeeinträchtigt. Später würde noch genug Zeit sein, ihm die ganze Geschichte zu erzählen.
    Die Sonne tauchte kurz auf, und es war bitterkalt. Es war die Art glasklarer, harter Kälte, mit der man umgehen konnte. Während sie sich ostwärts auf dem Meereis bewegten, die flache, steinige Küste zur Linken, rechts von ihnen der weit ausgebreitete Nortonsund, fühlte Edie sich zum ersten Mal, seit sie nach Alaska gekommen war, fast ein bisschen wie zu Hause. Zuhause. Sie hatte das Gefühl, ihre Heimat läge gleich da vorne hinter dem Horizont, gar nicht weit weg.
    Ein paar Kilometer entfernt von einem am Horizont nur undeutlich erkennbaren Gebäude fuhren sie zurück an Land. Den Rest der Strecke hielten sie sich an die Fahrspur. Der Wind hatte inzwischen bedrohlich aufgefrischt und wirbelte den Schnee auf wie ein Riesenbesen, der einen staubigen Hinterhof fegt. In knapp einsachtzig Höhe herrschte freie Sicht, schaute man aber nach unten, konnte man die eigenen Füße nicht erkennen. Vor ihnen tauchten aus der Dunkelheit die Lichter eines Schneemobils auf, und kurz darauf kam das Fahrzeug selbst in Sicht. Der Fahrer bremste ab und hielt an. Es war ein großer Mann, ein
qalunaat
in der Uniform eines Betreuers des Rennens.
    «Wollt ihr nach Safety? Wir packen gerade zusammen. Der letzte Schlittenführer ist etwa vor zwei Stunden weg.» Er musste schreien, um trotz des Windes zu hören zu sein.
    «Sammy Inukpuk?», fragte Edie.
    Der Mann legte die Hand ans Ohr, und Edie wiederholte ihre Frage. Der Mann schüttelte bedächtig den Kopf.
    «Kann nicht sagen, dass ich den Namen schon mal gehört hätte, aber die Nachzügler haben uns heute echt auf Trab gehalten. Wenn ihr wollt, dann fahrt doch rauf zum Rasthaus. Da oben sind immer noch ein paar Leute, die können euch bestimmt helfen.»

    Das Rasthaus des Kontrollpunkts von Safety war von einer Handvoll Nebengebäude und Fischereischuppen umgeben, die inmitten der breiten Tundra mit den niedrig geschwungenen Hügeln und den großen, salzigen Eisfeldern eigentümlich heruntergekommen wirkten. Ein paar Raben krallten sich an die Schneehaken, grünlich schwarze, vom Wind gebeutelte aufgebauschte Federkugeln. Überall waren Schlittenspuren, aber keine Schlitten.
    Edie und Derek sahen sich besorgt an. Sie betraten den Schneefang, stampften das Eis von den Füßen, zogen sich drei Lagen Handschuhe und Fäustlinge aus, die Schneebrillen, die Mützen, die Parkas. In dem großen Rastraum waren ein Mann und eine Frau damit beschäftigt, zusammenzupacken. Die Frau wirbelte herum, stellte sich als Laurie vor und bot ihre Hilfe an.
    «Wir sind auf der Suche nach Sammy Inukpuk. Chrissie Caley in Nome meinte, er müsste eigentlich inzwischen hier sein.»
    Laurie sah sie überrascht an. «Ist er ein Fahrer?» Sie vergrub die Hand in einer großen Tasche, zog eine Liste heraus und überprüfte die Einträge. Sie gehörte zu der Sorte
qalunaat
-Frauen, von denen Edie in Alaska schon viele gesehen hatte – auf ihre eigene, harte Weise wohlmeinend, zupackend und unerschütterlich. Die Sorte, die Edie schon immer sympathisch war.
    «Es tut mir echt leid, aber er steht nicht auf unserer Liste», sagte sie und sah auf. Sie setzte ein mitfühlendes Gesicht auf.
    «Er ist in Koyuk offiziell aus dem Rennen ausgeschieden.»
    Laurie ließ die Liste wieder in die Tasche fallen. «Tja, das erklärt doch alles. Dann ist er sicher von Koyuk aus geflogen.»
    «Nein, er wollte weitermachen. Sie haben ihm erlaubt, die Strecke trotzdem zu benutzen.»
    Laurie zog eine Augenbraue hoch. Sie wirkte immer noch mitfühlend, aber

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