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Zeichen im Schnee

Zeichen im Schnee

Titel: Zeichen im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie McGrath
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dem Schneesturm Schutz fanden.
    Sie fand die beiden, wo sie sie verlassen hatte. Sammy hielt Derek mit seinem eigenen Körper warm.
    «Wir müssen ihn noch ein Stückchen weiterziehen», sagte sie. «Schaffst du das?»
    Sammy sah sie mit absoluter Überzeugung an. Sie zwinkerte ihm zu. Das alte Team.
    Der Weg zu der Schneewehe bedeutete für alle drei eine riesige Anstrengung, doch sie hatten keine Zeit, sich mit pochenden Armen, erstarrender Haut und immer wirrer werdenden Gedanken zu befassen. Und trotzdem wussten sie, weil sie es in den Gesichtern der anderen lesen konnten, dass sie alle litten. Sie wurden alle zu schwach, um an irgendetwas anderes zu denken, als daran, ihre Kräfte auf die Aufgabe zu konzentrieren, das hier zu überleben.
    Sie ließen Derek auf dem Pressrücken sitzen, kletterten hinunter und kickten den lockeren Schnee in Form, stampften ihn mit tauben Füßen fest, so gut es ging, damit nicht alles einstürzte, wenn sie die Höhle ausgruben. Als der Haufen groß genug war, holten sie Derek, zerrten ihn den Abhang hinunter und setzten ihn seitlich neben ihren Schneehaufen. Während sie die Seiten bauten, höhlte Derek mit den Ellenbogen den niedrigen Unterschlupf aus. Die konzentrierte Anstrengung brachte das Adrenalin in Fluss und machte sie ein wenig munterer. Sammy fing an zu singen, alte Lieder, Lieder über Geister und Jäger, und obwohl sie einander durch den heulenden Sturm kaum hören konnten, gab ihnen allein das Wissen, gemeinsam zu singen, neue Hoffnung.
    Schließlich kletterten Edie und Sammy zu Derek in ihren selbst gebauten Unterschlupf und schaufelten mit den Armen von innen den Eingang zu. Sie saßen eng aneinandergedrängt, die Knie ans Kinn gezogen, die Arme umeinandergeschlungen, um die Wärme zu halten. Keiner zitterte, keiner konnte seine Gliedmaßen spüren, und doch waren sie voll unglaublicher Zuneigung füreinander. Sie wussten alle, wenn sie jetzt sterben mussten, einander in den Armen haltend, dann wäre das nicht die schlimmste Art zu gehen.

    Stunden über Stunden saßen sie singend in ihrer dunklen Schneehöhle, während die Kraft ihrer Stimmen gemeinsam mit ihrer Lebenskraft langsam verebbte. Doch dann bahnte sich plötzlich ein brutaler Fallwindstoß seinen Weg über den Pressrücken, brach den provisorisch verschlossenen Eingang zu ihrer Höhle auf und schickte wirbelnden Schnee zu ihnen hinein. Ohne zu zögern, rutschte Sammy auf Knien zu dem eingestürzten Eingang.
    «Ich gehe neuen Schnee holen», sagte er.
    Derek und Edie sahen sich an. Edie wusste, was er nicht gesagt hatte. Sie wussten beide, was Sammy gerade angeboten hatte, und ein Gefühl der Demut überkam sie.
    Draußen sang der Schneesturm mit heiserer Stimme sein eigenes, anarchisches Lied. Es verging ein wenig Zeit, dann hörten sie Sammy rufen. Edie rutschte zum Eingang und spähte hinaus. Bald ging die Sonne unter, und der Schnee war dunkelgrau. Sie kniff die Augen zusammen. Vor sich meinte sie etwas Blaues zu sehen. Sammy? Nein, dachte sie, Sammy trug niemals Blau. Es sah aus wie ein Stück Stoff oder wie ein Laken. Was immer dahinter lag, der Wind presste das blaue Ding dagegen und hielt es dort fest. Sie rutschte aus dem Unterschlupf, stolperte durch den Sturm darauf zu und erkannte schließlich, dass sich hinter dem blauen Ding die Konturen eines menschlichen Körpers abzeichneten. Sammy! Gebückt, auf Jägerart, um sich vor dem Wind zu schützen, schlich sie zu ihm.
    Sammy kämpfte mit einer blauen Abdeckplane, die wie wild hin und her flatterte und jeden Moment wegzufliegen drohte. Edie ging zu ihm und half ihm mit den Armen – ihre Hände waren inzwischen völlig nutzlos geworden – der Plane Herr zu werden und sie schließlich zu einer Wurst einzudrehen, die sich zurücktragen und in die Höhle zerren ließ. Ohne zu sprechen – der Wind brüllte so laut, dass man sein eigenes Wort nicht verstanden hätte –, taten sie, was getan werden musste, und häuften so viel Schnee wie möglich auf die Plane, um den eingestürzten Eingang zu reparieren. Schließlich krochen sie in die Höhle zurück und stampften den Schnee von innen fest.
    «Das ist die Plane von meinem Schlitten. Der Wind muss sie losgerissen haben. Ich habe sie an einem Eisbrocken am Pressrücken gefunden», rief Sammy. Die Haut seiner Lippen war aufgeplatzt und fing an zu bluten, und er drückte mit der Hand dagegen. Das Fleisch darunter war noch nicht gefroren. Noch ein Zeichen der Hoffnung.
    Die Plane flatterte und blähte

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