Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeichen im Schnee

Zeichen im Schnee

Titel: Zeichen im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie McGrath
Vom Netzwerk:
sich ein paar ausländische Mädchen geholt, zum Anschaffen, verstehst du?» Sie ließ das ein Weilchen sacken. «Frauen haben’s nicht leicht in dieser Stadt, Edie. Man muss selber sehen, wie man zurechtkommt. Hast du das Bild von der Mutter heute in der Zeitung gesehen?»
    Stacey steckte ihren Bestellblock in die Tasche und blätterte in der Zeitung bis zu einer Seite hinter dem Sportteil. Ein kleines Bild von TaniaLee Littlefish mit ein wenig Text, leicht zu übersehen. Der Artikel benannte sie als Mutter des toten Babys und berichtete, dass die Leiche auf dem Besitz der Altgläubigen gefunden worden war. Die Mutter blickte trotzig drein, fand Edie, doch der unsichere Zug um ihren Mund verriet die für ihr Alter typische Verletzlichkeit.
    «Sie ist so jung, dass es einem das Herz bricht», sagte Stacey. Eine Gruppe Frauen kam herein und setzte sich an den Nebentisch.
    Augenzwinkernd fuhr Stacey sich mit dem Finger über den Mund, dann sagte sie: « APD -Beamte.» Einen Moment lang verband die beiden Frauen eine unausgesprochene Vertraulichkeit, dann drehte Stacey sich um, ging zu einer Gruppe an einem weiter entfernten Tisch, und Edie hörte sie in ihrem munteren Ton fragen, ob sie Kaffee bringen solle.
    Edie blieb noch eine Weile sitzen, las die Zeitung und überlegte sich ihre nächsten Schritte. Wenn die junge altgläubige Frau sie sprechen wollte, würde sie einen Weg finden, ohne dass Edie nach ihr suchen müsste. Sie sollte sich trotz allem auf das Iditarod-Rennen konzentrieren und dafür sorgen, dass Sammy die Unterstützung bekam, die er verdiente. Mit ihrem Multifunktionsmesser schnitt sie das Bild von TaniaLee aus der Zeitung und steckte es ein. Als sie aufstand und gehen wollte, sah sie, dass der Tisch, an dem die APD -Frauen gesessen hatten, jetzt leer war. Aber unter einem der Stühle lag etwas auf dem Boden. Sie ging hin, vergewisserte sich, dass niemand sie beobachtete, und hob es auf. Es war ein Plastikausweis an einem blauen Band. Der Name auf dem Ausweis lautete «Patricia Gomez». Über dem Namen stand «Polizeirevier Anchorage». Edie umschloss den Ausweis mit der Hand und schob ihn in die Tasche. Als sie aufstand, sah sie, dass Stacey sie beobachtete. Einen winzigen Augenblick lang sahen sie einander an, dann ging Stacey zu dem Tisch hinüber, nahm die Zeitung und hielt sie eben lange genug hoch, um Edie zu bedeuten, dass sie gesehen hatte, wie sie das Bild ausschnitt, dann faltete sie die Zeitung zusammen, steckte sie in ihre Schürzentasche und nickte Edie beifällig zwinkernd zu. Edie erwiderte ihren Blick mit einem zarten Lächeln, formte lautlos ein «Danke» und trat auf die Straße hinaus. Was Stacey auch wusste oder nicht wusste oder vermutete – es spielte keine große Rolle. Die Kellnerin hatte ihr soeben zu verstehen gegeben, dass sie auf ihrer Seite war, und nur darauf kam es an.

[zur Inhaltsübersicht]
    8
    Chuck Hillingberg saß zu Hause an der Frühstücksbar und schlürfte seine dritte Tasse Kaffee, als April Montalo, seine superkompetente Assistentin, ihm die Liste mit den dicht aufeinander folgenden Terminen, öffentlichen Auftritten und Interviews vorlegte, die seinen Arbeitstag ausfüllen würden.
    Dabei fiel ihm ein, dass er inmitten von alledem noch Zeit finden musste, um den Schaden wiedergutzumachen, den er mit seiner Reaktion auf die hysterische Frau in Wallisa angerichtet hatte. Sich hinter Bürgermeister Dillard zu ducken war ein purer Reflex gewesen, doch er hätte sich natürlich denken können, dass die ganze Geschichte auf Film gebannt und kurz, nachdem es passierte, auf YouTube zu sehen sein würde. Jetzt stand er da wie ein Idiot. Schlimmer noch, wie ein herzloser Idiot. Zudem waren da die neuen Statistiken zu Sexualvergehen. Vergewaltigung und sexuelle Belästigung stellten in der Stadt ein Dauerproblem dar und waren nicht auf Chucks Amtszeit oder die seines Vorgängers begrenzt, sondern Bestandteil des Ortes. Doch Shippons Wahlkampagne zielte darauf ab, die Statistiken und das Bildmaterial zu benutzen, um die einheimischen Wählerinnen dazu zu bringen, gegen Hillingberg zu stimmen. Chuck hatte seinen PR - und Wahlkampfmanager Andy Foulsham gebeten, vorbeizukommen. Sobald April ihn über die Tagestermine informiert hatte, wollte er sich mit Andy zusammensetzen und einen Weg finden, um jedweder schlechten Presse von vornherein entgegenzuarbeiten.
    Und schon war Andy da, den Kopf in der Tür, das übliche Grinsen im Gesicht, pünktlich wie immer.
    «Morgen,

Weitere Kostenlose Bücher