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Zeit deines Lebens

Titel: Zeit deines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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einmal nachsitzen musste. Aloysius starrte mit der gleichen mangelnden Begeisterung auf die Akten, die vor ihm auf dem Schreibtisch lagen, als würde er vor einem Teller mit Gemüse sitzen, das ihn allein kraft seiner grünen Existenz der Freiheit beraubte. Als klarwurde, dass sich die Videokonferenz unmöglich absagen und auch keinesfalls verschieben ließ, war Alfred zu Lou gekommen, hatte sich mit großen, scheinbar ehrlich enttäuschten Hundeaugen und mit der Energie eines Topstaubsaugers darum bemüht, sich von jedem Verdacht, er könnte an dem Terminchaos mitschuldig sein, zu befreien und Möglichkeiten zu finden, wie sie nun gemeinsam am besten mit der Situation zurechtkommen konnten. Da er so überzeugend war wie immer, hatte Lou irgendwann vergessen, was für ein Problem er mit Alfred gehabt hatte, und sich gefragt, warum er jemals überhaupt auf die Idee {178 } gekommen war, ihm Vorwürfe zu machen. Genau diesen Effekt hatte Alfred immer wieder auf andere Menschen – wie ein Bumerang, der durch den Dreck geschleift worden ist und trotzdem bereitwillig von den gleichen Händen wieder in Empfang genommen wird, die ihn anfangs hatten loswerden wollen.
    Draußen war es schwarz und kalt. Autoschlangen verstopften Brücken und Kais, die Menschen waren auf dem Weg nach Hause und zählten die letzten Tage der Weihnachtshektik an den Fingern ab. Harry hatte ganz recht, es ging alles viel zu schnell, und die fieberhaften Vorbereitungen hatten inzwischen mehr Bedeutung als das Fest selbst. Lous Kopf dröhnte noch mehr als am Morgen – die Migräne hatte sich hinter dem linken Auge festgesetzt. Er musste die Schreibtischlampe wegdrehen, weil ihm das Licht weh tat, und konnte kaum noch denken, geschweige denn einen sinnvollen Satz bilden. So schlüpfte er schließlich in seinen Kaschmirmantel, wickelte sich den Schal um den Hals und verließ das Büro, um sich in der nächstgelegenen Apotheke Kopfschmerztabletten zu besorgen. Er wusste, dass ein großer Teil seines Zustands auf den Kater zurückzuführen war, aber er war auch überzeugt, dass er sich irgendetwas eingefangen hatte, denn er war schon die ganzen letzten Tage nicht richtig auf dem Damm gewesen. Desorganisiert, unsicher – Eigenschaften, die ihm sonst fremd und deshalb bestimmt einer Krankheit anzulasten waren.
    Die Korridore waren dunkel; in den Privatbüros waren alle Lichter gelöscht, abgesehen von der schwachen Notbeleuchtung für die Sicherheitsleute, die regelmäßig ihre Runden machten. Lou drückte auf den Rufknopf bei den Aufzügen und wartete auf das Geräusch, mit dem die Seile in Aktion traten und die Kabine durch den Schacht {179 } zu ziehen begannen. Aber alles blieb still. Er drückte noch einmal auf den Knopf und schaute auf die Anzeige. Es leuchtete das E für Erdgeschoss, und nichts rührte sich. Er drückte noch einmal. Nichts geschah. Er drückte noch ein paarmal und wurde schließlich so wütend, dass er anfing, den unschuldigen Knopf mit Fausthieben zu traktieren. Das Ding war außer Betrieb. Typisch.
    Nach einer Weile beruhigte er sich wieder und machte sich auf die Suche nach der Feuertreppe. Das Dröhnen in seinem Kopf hatte nicht nachgelassen. Bis zu seiner Konferenz blieben ihm noch dreißig Minuten, gerade genug Zeit, um die dreizehn Stockwerke hinunterzurennen, die Tabletten zu holen und mit ihnen wieder hinaufzuhasten. Er verließ den vertrauten Hauptkorridor, drängte sich durch ein paar Türen, die er nie richtig wahrgenommen hatte, und gelangte auf wesentlich schmalere Gänge, in denen es keinen Teppichboden mehr gab. Statt der dicken Türen aus Walnussholz und der Wandvertäfelung gab es weiße Farbe und Spanholzplatten, und die Büros waren nur noch so groß wie Abstellkammern. Statt der Gemälde, über deren künstlerische Bedeutung er sich jeden Tag seine Gedanken machte, säumten Faxgeräte und Kopierer die Gänge.
    Schließlich bog er um eine Ecke, stutzte und fing dann leise an zu lachen, denn hier offenbarte sich ihm das Geheimnis von Gabes unglaublichem Arbeitstempo. Vor ihm befand sich ein Lastenaufzug, die schmale graue Kabine vom gespenstisch weißgrünen Licht einer langen Neonröhre erhellt. Lou trat hinein. Das Licht tat ihm in den Augen weh, aber ehe er sich die Knöpfe genauer anschauen konnte, schlossen sich auch schon die Türen, und der Aufzug bewegte sich rasant nach unten. Er fuhr etwa doppelt so {180 } schnell wie die regulären Personenaufzüge, und wieder war Lou sehr zufrieden, dass er

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