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Zeit deines Lebens

Titel: Zeit deines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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Um Viertel nach zehn traf er im Büro ein – so spät war er noch nie angekommen. Da das Meeting erst in ein paar Minuten zu Ende sein würde, spuckte er in die Hände, strich sich die Haare glatt, die er heute nicht gewaschen hatte, fuhr sich über sein unrasiertes Gesicht, schüttelte den Schwindel ab, den der Kater mit sich brachte, atmete tief durch und betrat den Konferenzraum.
    Alle hielten die Luft an, als sie ihn sahen. Nicht etwa, weil sein Anblick so furchtbar war, nein, er entsprach heute nur nicht seinen sonstigen Maßstäben. Denn sonst war Lou perfekt, immer, in jeder Hinsicht.
    Er setzte sich auf den Platz Alfred gegenüber, der ihn überrascht anstrahlte und den Zusammenbruch seines Kollegen richtig zu genießen schien. »Tut mir leid, dass ich zu spät komme«, begann Lou – mit einer echten Entschuldigung – und blickte in die Runde seiner zwölf Kollegen. Seine Stimme klang ruhiger, als er sich fühlte. »Ich war die ganze Nacht mit Magen-Darm zugange, aber ich denke, jetzt bin ich wieder fit.«
    Überall um ihn herum wurde mitfühlend und verständnisvoll genickt.
    »Bruce Archer hat sich genau den gleichen Mist eingefangen«, grinste Alfred und zwinkerte Mr Patterson verschwörerisch zu.
    Das war zu viel, und Lou spürte, wie er innerlich zu kochen anfing. Er hätte sich nicht gewundert, wenn ein lautes Pfeifen aus seinen Nüstern gekommen wäre, denn er {169 } steuerte rasant auf den Siedepunkt zu. Trotzdem stand er das Meeting durch, kämpfte Hitzewallungen und Übelkeit erfolgreich nieder, konnte aber nicht verhindern, dass die Ader auf seiner Stirn heftig pochte.
    »Der heutige Abend ist sehr wichtig, Leute«, sagte Mr Patterson. Dann wandte er sich direkt an Lou, der sich verzweifelt zu konzentrieren versuchte.
    »Ja, ich habe die Videokonferenz mit Arthur Lynch«, sagte er. »Um halb acht, und ich bin sicher, es wird alles reibungslos laufen. Ich hab auf alle seine Fragen und Sorgen, die er letzte Woche geäußert hat, reichlich Antworten parat, und ich glaube nicht, dass wir sie noch mal besprechen müssen … «
    »Moment, Moment«, unterbrach ihn Mr Patterson und hob einhaltgebietend den Zeigefinger. Erst jetzt bemerkte Lou, dass Alfreds Mund sich zu einem breiten Grinsen verzogen hatte. Verzweifelt versuchte er, seine Aufmerksamkeit zu gewinnen und vielleicht irgendeinen Hinweis, irgendeinen Wink von ihm zu bekommen, aber Alfred mied gezielt seinen Blick.
    »Nein, Lou, Sie und Alfred haben ein Essen mit Thomas Crooke und seinem Partner! Endlich ist das Meeting zustande gekommen, hinter dem wir schon das ganze Jahr her sind«, erklärte Mr Patterson und lachte nervös.
    Bröckel, bröckel, bröckel. Alles brach in sich zusammen. Lou blätterte in seinem Terminkalender, fuhr sich mit zittrigen Fingern durch die Haare und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Vor ihm lag der frisch ausgedruckte Terminplan, aber es fiel ihm schrecklich schwer, seine müden Augen scharfzustellen. Ja, da war sie, die Telefonkonferenz mit Arthur Lynch. Aber nirgends ein Essen! Nein, keine Spur von einem verdammten Essen.
    »Mr Patterson, mir ist natürlich klar, dass wir es schon lange auf das Treffen mit Thomas Crooke abgesehen haben«, sagte Lou, räusperte sich und blickte Alfred verwirrt an. »Aber mit mir hat niemand ein Essen abgesprochen, und ich habe Alfred letzte Woche informiert, dass ich heute Abend um halb acht mit Arthur Lynch konferiere«, wiederholte er ziemlich dringlich. »Alfred? Wusstest du etwas von diesem Essen?«
    »Hm, ja, Lou«, antwortete Alfred ironisch lächelnd und mit dem dazugehörigen Achselzucken. »Selbstverständlich. Ich habe meine Termine entsprechend organisiert, als ich es erfahren habe. Schließlich ist es unsere größte Chance, das Manhattan-Projekt durchzuziehen. Wir sprechen ja seit Monaten darüber.«
    Die anderen Kollegen rutschten unbehaglich auf ihren Stühlen herum, aber Lou war sicher, dass manche von ihnen den Moment von Herzen genossen und jedes Seufzen, jeden Blick und jedes Wort genau registrierten, um später, wenn sie den Raum verlassen hatten, die Gerüchteküche ordentlich anzuheizen.
    »Sie können jetzt alle an die Arbeit zurückkehren«, beendete Mr Patterson das Meeting, fügte aber mit besorgter Stimme hinzu: »Aber ich fürchte, um diese Angelegenheit müssen wir drei uns dringend kümmern.«
    Der Raum leerte sich, bis nur noch Lou, Alfred und Mr Patterson am Tisch saßen. An Alfreds Haltung, an seinem Gesichtsausdruck und auch an der Art,

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