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Zeit deines Lebens

Titel: Zeit deines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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immer.«
    »Das kann nicht sein«, widersprach Lou. »Haben Sie ihn gesehen?«
    »Ja«, antwortete sie mit besorgtem Gesicht. »Er hat mir auch einen Kaffee gebracht. Kurz vor neun war das, glaube ich.«
    »Aber das kann nicht sein. Er war bei mir zu Hause«, entgegnete Lou, mehr zu sich selbst als zu Alison.
    »Äh, Lou, nur noch eins … ist jetzt kein guter Zeitpunkt, die Einzelheiten für die Geburtstagsparty Ihres Vaters zu besprechen?«
    Doch der Satz war noch nicht ganz fertig, da war Lou schon wieder in seinem Büro verschwunden und hatte die Tür hinter sich zugeschlagen.
     
    Es gibt auf der Welt viele Weckrufe. Für Lou Suffern war ein Weckruf die tägliche Pflicht seines BlackBerrys. Um sechs jeden Morgen, wenn er im Bett lag und gleichzeitig schlief und träumte, an gestern und an morgen dachte, brachte sein BlackBerry diensteifrig und sehr laut einen alarmierenden Kreischton hervor, der für menschliche Ohren absichtlich sehr unangenehm war. Vom Nachttisch aus drang er direkt in Lous Unterbewusstsein, holte ihn aus dem Schlaf und zerrte ihn in die Welt der Wachen. Dann war für Lou Schluss mit Schlafen, und seine bis dahin geschlossenen Augen öffneten sich. Erst war der Körper noch im Bett, dann nicht mehr, erst war er nackt, dann angekleidet. Für Lou war es genau das, worum es beim Aufwachen ging. Es war eine Übergangsperiode zwischen Schlafen und Wachsein.
    Für andere Menschen sah ein Weckruf anders aus. Für Alison im Büro war es der Schreck, als sie mit sechzehn festgestellt hatte, dass sie schwanger war. Diese Entdeckung hatte sie gezwungen, Entscheidungen zu treffen. Für Mr Patterson war es die Geburt seines ersten Kindes gewesen. Seither sah er die Welt mit anderen Augen, und jede einzelne seiner Entscheidungen wurde von diesem Erlebnis beeinflusst. Für Alfred war es ein Weckruf gewesen, als er mit zwölf Jahren miterlebte, wie sein Vater seine Millionen verlor, und er von der Privatschule abgehen musste. Obwohl die Familie ihren Status zurückgewann, hatte diese Erfahrung Alfreds Einstellung zur Welt und den Menschen {175 } ein für alle Mal verändert. Für Ruth war der Weckruf gekommen, als sie in den Sommerferien ahnungslos ins Schlafzimmer getreten war und ihren Ehemann im Bett mit der sechsundzwanzigjährigen polnischen Kinderfrau vorgefunden hatte. Für die kleine Lucy mit ihren gerade mal fünf Jahren war es ein Weckruf gewesen, als sie bei ihrer Schulaufführung ins Publikum gespäht und neben ihrer Mutter nur einen leeren Platz hatte entdecken können. Es gibt viele Arten von Weckrufen, aber für jeden Menschen nur einen, der wirklich wichtig ist.
    Heute jedoch erlebte Lou eine ganz andere Sorte Weckruf. Lou Suffern wusste nämlich nicht, dass ein Mensch geweckt werden kann, auch wenn seine Augen bereits offen sind. Ihm war nicht klar, dass ein Mensch geweckt werden kann, der längst aus dem Bett aufgestanden ist, einen schicken Anzug trägt, Deals aushandelt und Meetings leitet. Er hatte keine Ahnung, dass ein Mensch aufgeweckt werden kann, der sich selbst für ruhig und gelassen hält, der denkt, er ist fähig, mit dem Leben und all seinen großen und kleinen Schikanen fertigzuwerden. Die Alarmglocken bimmelten lauter und immer lauter in seinen Ohren, aber niemand außer seinem Unterbewusstsein nahm sie zur Kenntnis. Er versuchte sie zum Schweigen zu bringen, versuchte, das ganze Geklingel abzuschalten, damit er sich wieder in den Lebensstil kuscheln konnte, den er so gemütlich fand. Aber es funktionierte nicht mehr. Ihm war nicht bewusst, dass es nicht an ihm war, dem Leben zu sagen, wann er bereit war, etwas zu lernen, sondern dass das Leben ihn lehren würde, wann die Zeit dafür reif war. Ihm war auch nicht klar, dass er nicht auf ein Knöpfchen drücken konnte, um plötzlich alles zu wissen. Und dass es die Knöpfe in seinem Innern waren, die betätigt werden würden.
    Lou Suffern war überzeugt, dass er schon alles wusste.
    Aber in Wahrheit war er nur dabei, ein bisschen an der Oberfläche zu kratzen.

17 Ein Rums in der Nacht
    Um sieben an diesem Abend, als Lous Kollegen bereits vom Bürogebäude ausgespuckt und vom um sich greifenden Weihnachtswahn draußen verschlungen worden waren, blieb er selbst noch an seinem Schreibtisch sitzen, fühlte sich jedoch weniger wie der weltgewandte Geschäftsmann, sondern – obwohl er sich in all den Jahren so bemüht hatte, ihn zu vergessen und endgültig hinter sich zu lassen – eher wie Aloysius, der Schuljunge, der wieder

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