Zeit der Dunkelheit (Band 4)
vorbei. »Leb wohl, Sturmpelz. Zeig diesen Eindringlingen, dass sich ein Clan niemals geschlagen gibt.«
»Leb wohl, Löwenpfote«, miaute Sturmpelz. »Wir lassen uns jedenfalls nicht unterkriegen.«
Ein warmer Strom schien zwischen dem Krieger und dem Schüler zu fließen, und Häherpfote erkannte zu seiner Überraschung, dass es ein besonderes Band zwischen Sturmpelz und seinem Bruder gab, eines, das er bis jetzt nicht bemerkt hatte. Nachdenklich blieb er stehen, während sich seine Clan-Gefährten die Böschung hinab in Bewegung setzten, und rührte sich immer noch nicht, als Sturmpelz die Frischbeute aufnahm und seiner Gefährtin den Berg hinauf folgte.
»Los jetzt, wir müssen weiter!« Krähenfeder stieß Häherpfote mit der Nase an, um ihn einen seichten, steinigen Abhang hinunter auf die grasbewachsene Lichtung zu führen.
Häherpfote sträubte sich der Pelz. »Du musst mir nicht helfen!«
»Wie du willst«, fauchte Krähenfeder. »Aber gib mir nicht die Schuld, wenn du den Anschluss verpasst.« Seine Pfoten trommelten über den Boden davon.
Wenn ich mir vorstelle, ich hätte so einen sauerzüngigen Vater. Ein Glück, dass ich nicht Windpfote bin!
»Beeil dich, Häherpfote!«, rief Löwenpfote.
Häherpfote hob die Nase in die Luft. An diesem offenen Hang ließ sich leicht herausfinden, wo die anderen Katzen waren. Brombeerkralle führte sie den Weg bergab, Windpfote folgte ihm auf den Pfoten, während sich Krähenfeder neben Bernsteinpelz eingereiht hatte, die sich am Rand der Gruppe hielt. Eichhornschweif lief allein, Distelpfote und Löwenpfote trabten hinter ihr her.
Häherpfote rannte ihnen nach. Das Gras unter seinen Pfoten war weich und eben. »Es ist ein seltsames Gefühl, sie zurückzulassen«, keuchte er.
»Es war ihre Entscheidung zu bleiben«, bemerkte Krähenfeder.
»Glaubst du, wir werden sie je wiedersehen?«, fragte Bernsteinpelz.
»Hoffentlich nicht«, antwortete Krähenfeder. »Ich will diese Berge bis zum Ende meines Lebens nicht mehr wiedersehen.«
»Vielleicht besuchen sie uns am See«, überlegte Distelpfote.
Unheimliches Geheul hallte weit hinter ihnen durch die Schluchten.
»Fürs Erste müssen sie heil zu Hause ankommen«, flüsterte Löwenpfote.
»Das schaffen sie schon«, versicherte ihm Brombeerkralle. »Sie kennen ihr Territorium so gut wie jede Stammeskatze.«
Häherpfote, der hinter seinen Wurfgefährten hertappte, entdeckte modrigen Waldgeruch von vorn. Bald würden seine Pfoten Laub statt Gras unter sich ertasten. Bäume würden von allen Seiten den Wind abhalten, der heftig an seinem Pelz zerrte. Distelpfote eilte voraus, als ob sie den See bereits riechen könnte. Aber Häherpfote wünschte sich für einen Moment an die offenen Hänge am Fuß der Berge zurück. Dort wurden Gerüche und Geräusche nicht von den Bäumen gedämpft, und es gab kein Unterholz, das ihm Fallen stellen konnte. In diesem unbekannten Wald fühlte er sich so blind wie nie.
»Achtung!« Löwenpfotes Warnung kam zu spät, Häherpfote steckte bereits mit den Pfoten in einer Brombeerranke fest.
»Mäusedung!« Er wollte sich freikämpfen, aber die Ranke schlang sich immer fester um seine Beine, als ob sie ihn fesseln wollte.
»Halt still!« Distelpfote rannte zurück, um ihm zu helfen. Häherpfote blieb stocksteif stehen, schluckte seinen Ärger herunter und ließ Löwenpfote die Ranken wegzerren, während ihn Distelpfote vorsichtig aus dem stacheligen Gestrüpp führte.
»Dämliche Brombeeren!« Häherpfote reckte das Kinn und tappte weiter, verzweifelt bemüht, sich seine extreme Unsicherheit auf diesem Terrain nicht anmerken zu lassen.
Wortlos nahmen ihn Distelpfote und Löwenpfote in ihre Mitte. Distelpfote berührte ihn kaum merklich mit den Schnurrhaaren und führte ihn so um einen Brennnesselfleck herum. Als ihnen ein umgestürzter Baum den Weg versperrte, bedeutete ihm Löwenpfote mit einem Schwanzschnippen, stehen zu bleiben und sich schließlich über den Stamm führen zu lassen.
Während Häherpfote über die knorrige Rinde kletterte, ging ihm eine Frage nicht aus dem Kopf: Kann mit der Prophezeiung wirklich auch eine Katze gemeint sein, die nicht sehen kann?
3. KAPITEL
Löwenpfote zuckte im Schlaf. Er träumte.
Er stand auf einem zackigen Gipfel, Gebirgswind raufte ihm den Pelz. Über ihm erstreckte sich ein sternenloser Himmel, bis zum fernen Horizont, schwarz wie die Schwingen eines Raben. Unzählige Gipfel ragten vor ihm auf wie die Wellen eines windumtosten Sees.
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