Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeit der Dunkelheit (Band 4)

Zeit der Dunkelheit (Band 4)

Titel: Zeit der Dunkelheit (Band 4) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Hunter
Vom Netzwerk:
Macht hätte, diesem Fellball ein für alle Mal das Maul zu stopfen!«
    Wollte er das wirklich? Distelpfote schaute Löwenpfote von der Seite an, um in Erfahrung zu bringen, ob seine Augen wie gewohnt spöttisch blitzten, aber er hatte sie zusammengekniffen und wirkte verärgert. Sie überholte ihn und stellte sich ihm in den Weg. »Das meinst du doch nicht ernst, oder?«
    Löwenpfote peitschte mit dem Schwanz. »Natürlich nicht«, knurrte er. »Ich bin bloß müde.«
    »Und was denkst du, was ›die Macht der Sterne‹ zu bedeuten hat?«, bohrte Distelpfote weiter. »Die Macht, jede Katze dazu zu überreden, dass sie tut, was wir wollen?«
    Löwenpfote machte ein gleichgültiges Gesicht, wich ihrem Blick aber aus. »Ich schätze«, antwortete er, »darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht.«
    »Das glaube ich dir nicht!«
    Löwenpfote trottete um sie herum und lief eine Weile schweigend weiter. »Mir wäre am liebsten, wenn sie bedeuten würde, dass ich stärker werde als jede andere Katze, damit ich immer alle Kämpfe gewinne.« Er hielt inne. »Und du?«
    »Ich würde gern mehr wissen als alle anderen Katzen.«
    »Was, zum Beispiel?« Spott blitzte in seinen Augen auf. »Wie man mit Zweibeinern redet?«
    »Du bist blöd!« Distelpfotes Krallen zuckten verärgert. »Ich rede von der Macht zu verstehen« – sie suchte nach den richtigen Worten. »Einfach alles zu verstehen«, miaute sie schließlich.
    Löwenpfote knuffte seine Schwester liebevoll in die Seite. »Mehr willst du nicht?«
    Distelpfote stieß ihn weg. »Du weißt genau, wie ich das meine.«
    Sie hatten die Baumgruppe schon fast erreicht, als Löwenpfote weitersprach. »Vielleicht fühlt sich die Macht für jeden von uns anders an«, überlegte er. »Häherpfote weiß schließlich jetzt schon, was andere Katzen denken, nicht wahr?« Er sah Distelpfote in die Augen. »Das macht er bei dir auch, oder?«
    Distelpfote nickte.
    »Blattsee kann das nicht«, fuhr Löwenpfote fort. »Keine Heiler-Katze kann das. Häherpfote kann auch schon vorhersagen, ob andere Clans Ärger kriegen. Das muss seine Macht sein – mehr zu sehen als andere Katzen.«
    »Von uns allen ist er am wenigsten blind«, flüsterte Distelpfote, und ihr Pelz begann zu kribbeln, wie er es immer tat, wenn Häherpfote genau das aussprach, was ihr gerade durch den Kopf ging.
    Dichtes Blattwerk wuchs am Waldrand, und sie blieb stehen, um Löwenpfote die Führung zu überlassen. »Hast du schon mal irgendwas gespürt?«, erkundigte sie sich, als er begann, sich einen Weg durchs Gestrüpp zu bahnen.
    Zu ihrer Überraschung wirbelte Löwenpfote zu ihr herum. Seine Augen leuchteten mit einer seltsamen Intensität. »Am Anfang unserer Reise haben wir auf dem Kamm angehalten und auf den See hinabgeschaut, weißt du das noch? Dann bist du losgelaufen, um Beute zu jagen und dich anschließend auszuruhen. Aber ich war nicht hungrig.« Er blinzelte. »Ich habe auf die Territorien hinausgeschaut und mich dabei irgendwie … seltsam gefühlt.«
    Distelpfote beugte sich vor. »Seltsam? Wie seltsam?«
    »Ich hatte ein Gefühl, als würde mir alles gelingen!« Die Augen ihres Bruders blitzten auf. »Bis ans äußerste Ende des Horizonts rennen, ohne müde zu werden, gegen jeden Feind kämpfen und gewinnen, mich jedem Kampf stellen, ohne mich zu fürchten.«
    Distelpfote trat von einer Pfote auf die andere und wich unwillkürlich vor ihm zurück. Plötzlich hatte er etwas an sich, was ihr Unbehagen bereitete: die Art, wie er die Schultern straffte und damit stärker aussah als vorher, mit einem abwesenden Blick in den Augen, der durch sie hindurch zu sehen schien, durch den ganzen Wald bis zu einem fernen Ort, wo er sich allein auf seinen Pfoten jedem Feind stellen würde. Sie erinnerte sich daran, wie er für den Stamm des eilenden Wassers gekämpft hatte, wie er blutüberströmt – und unverwundet – aus der Schlacht getaumelt kam, immer noch bereit, weiterzukämpfen, bis keine einzige Katze mehr aufrecht stand.
    Von dem Feuer in seinen Augen wurde ihr kalt unter ihrem Pelz.
    Konnte es sein, dass sie sich vor ihrem eigenen Bruder fürchtete?

2. KAPITEL
    Häherpfote berührte die Unterseite von Bernsteinpelz’ Pfote mit der Schnauze. Sie fühlte sich heiß und dick an. »Geschwollen«, erklärte er. »Die Haut ist zerkratzt, blutet aber nicht. Aber das weißt du selbst.« Er hörte Distelpfote und Löwenpfote leise miauen, während sie sich entfernten, um nach Beute zu suchen. Redeten sie über die

Weitere Kostenlose Bücher