Zeit der Dunkelheit (Band 4)
Graustreif in die Kinderstube gekrochen kam. Blattsee musste ihn geholt haben. Er hockte sich neben Millie, und Häherpfote hörte, wie er das Fell der Königin beschnupperte, sein Pelz schickte Wogen der Erleichterung durch den Bau.
»Du hast zwei Töchter und einen Sohn«, sagte Millie mit matter Stimme zu ihm.
»Sie sind makellos«, antwortete Graustreif leise.
Millie rappelte sich mühsam auf, um ihren Jungen beim Trinken zuzusehen. »Der Kater sieht genauso aus wie du«, erklärte sie. »Jetzt schon groß und stark, er hat nur ein paar schwarze Streifen mehr als du.«
»Mich erinnert er an eine Hummel«, schnurrte Graustreif. »Wie wär’s, wenn wir ihn Hummeljunges nennen? Und das dunkelbraune könnte Wurzeljunges heißen.«
»Das hört sich gut an«, stimmte Millie zu. »Das kleinste würde ich gern Blumenjunges nennen. Die weißen Flecken in seinem Fell sehen wie heruntergefallene Blütenblätter aus.«
»Hummeljunges, Wurzeljunges und Blumenjunges«, flüsterte Graustreif. »Herzlich willkommen beim DonnerClan, meine kleinen Lieblinge.«
»Wir werden hier im Moment nicht gebraucht«, miaute Blattsee zu Häherpfote. »Minka wird sie im Auge behalten und uns rufen, falls ihnen irgendetwas fehlen sollte.«
Sie schlüpfte aus dem Bau und Häherpfote folgte ihr in den Mondschein. Voller Stolz tappte er mit seiner Mentorin zum Heilerbau zurück – er war stolz auf Millie, auf sich selbst und auf Blattsee.
»Das hast du gut gemacht.« Blattsee schien zu wissen, wie er sich fühlte, und streifte seine Wange mit ihrer Schnauze.
»Danke.« Häherpfote leckte ihr ein Ohr. Ihren Streit hatte er in diesem Moment fast vergessen. »So etwas Großartiges habe ich noch nie erlebt!«
»Ja, es ist eben ein Wunder«, murmelte Blattsee vor sich hin.
Hörte sich ihre Stimme traurig an?, fragte sich Häherpfote. So beschwingt wie er war sie jedenfalls nicht. Seine Pfoten schienen leicht wie der Wind, als ob er gleich hier abheben und aus dem Felsenkessel hinaus über die Bäume davonfliegen könnte. Blattsee hatte wohl schon so vielen Katzen bei der Geburt geholfen, dass es sie nicht mehr berührte. Vielleicht war sie aber auch neidisch, weil die winzigen Jungen sofort instinktiv spürten, wer ihre Mutter war, die sie vom ersten Atemzug an bedingungslos liebten. Häherpfote verlangsamte seine Schritte, während er sich vorzustellen versuchte, was Blattsee empfinden mochte, wenn sie sah, wie neues Leben geboren wurde. Tat es ihr leid, dass sie nie eigene Junge zur Welt bringen durfte?
Häherpfote schlief lange. Als er schließlich schlaftrunken hinaus auf die Lichtung trat, wärmte ihm die Sonne den Rücken. Vom Frischbeutehaufen duftete es köstlich, und da er nach seiner nächtlichen Arbeit sehr hungrig war, zerrte er von oben eine Maus weg und begann zu essen.
»Ich hab gehört, dass du deinen ersten Jungen auf die Welt geholfen hast!« Distelpfote kam angesprungen und rieb ihre Schnauze an seiner Wange. »Da wäre ich auch gern dabei gewesen.«
»Es war großartig«, miaute Häherpfote zwischen zwei Bissen.
Graustreif quetschte sich aus der Kinderstube und trabte durchs Lager, wobei er wie eine wärmende Sonne seine Freude auf der Lichtung verströmte.
»Herzlichen Glückwunsch, Graustreif!«, rief Langschweif.
Rußpfote unterbrach ihre Wäsche, als Graustreif am Bau der Schüler vorbeikam. »Wie geht’s Millie?«
»Es geht ihr großartig «, antwortete Graustreif. »Und den Jungen auch.«
»Ich kann’s gar nicht erwarten, sie zu sehen!« Eispfote kam über die Lichtung gehüpft.
»Wir haben sie schon gesehen«, brüstete sich Unkenjunges. »Hummeljunges wird mit mir spielen, wenn er ein bisschen größer ist.«
»Sie sind so süß!«, fügte Rosenjunges hinzu. »Vor allem Blumenjunges. Sie ist ganz winzig!«
Häherpfote hörte, wie Graustreif am Frischbeutehaufen herumschnupperte.
»Millie ist bestimmt hungrig«, rief Mausefell vom Bau der Ältesten herüber.
»Und sie wird das beste Beutestück bekommen, das ich finden kann«, rief Graustreif zurück.
Ampferschweif knetete den Boden. »Wie sehen die Jungen denn aus?«
»Wurzeljunges ist dunkelbraun, Blumenjunges ist schildpattfarben und weiß«, berichtete Graustreif, »und der kleine Kater, Hummeljunges, ist grau mit schwarzen Streifen.«
Borkenpelz putzte sich beim Halbfels. »Wenigstens bekommen sie richtige Kriegernamen«, brummelte er. Offensichtlich hatte er nicht vergessen, dass sich Millie geweigert hatte, einen Clan-Namen
Weitere Kostenlose Bücher