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Zeit der Gespenster

Zeit der Gespenster

Titel: Zeit der Gespenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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und in einer zwei Meter tiefen Schneewehe eingeschlafen war. »An die Sache kann ich mich erinnern«, sagte Eli. »Er wurde für tot erklärt und ins Krankenhaus gebracht …«
    »Und dort hat man ihn ganz allmählich wieder aufgewärmt, und er ist wieder aufgewacht.« Shelby nahm ihm das Album aus der Hand. »Es ist albern, ich weiß, aber ich sammle Artikel über Leute, die gestorben sind, aber eben nicht … na ja, nicht endgültig tot waren. Vielleicht schneidet ja irgendwann mal jemand aus dem gleichen Grund einen Artikel über Ethan aus.«
    Plötzlich kam Ross die Treppe herunter, die Haare noch nass vom Duschen. »Dachte ich mir doch, dass ich Ihre Stimme gehört habe«, sagte er zu Eli, während Watson an ihm hochsprang. »Wie ist es bei Pike gelaufen?«
    Aber Eli las noch immer gebannt den Artikel über den kanadischen Jungen. »Das McGill-Krankenhaus«, sagte er. »Das ist doch direkt hinter der Grenze, in Montreal. Die Familie muss ganz in der Nähe wohnen. Shelby, sollen wir hinfahren?«
    Sie dachte nicht an Ethan oder an ihre Arbeit oder an ihren Bruder. Und sie wunderte sich auch nicht darüber, warum Eli sich plötzlich ebenso brennend für den nur beinahe gestorbenen Jungen interessierte wie sie. Shelby wusste nur, dass man nicht zögern soll, wenn man die Chance bekommt, ein Wunder zu erfahren.

    Eli bog vom Highway in die Zufahrt zu einem Motel. Sie hatten es in Rekordzeit nach Kanada geschafft, trotzdem war es schon kurz vor acht – was bedeutete, dass Eli erst am nächsten Tag mit Dr. Holessandro würde sprechen können. »Es ist nicht gerade das Ritz«, entschuldigte Eli sich. »Aber das Ritz erlaubt keine Hunde.«
    »Ich hoffe, du sprichst von Watson.«
    An der Motel-Rezeption spielte ein Junge mit grünem Irokesenschnitt Scrabble gegen sich selbst. »Sprichst du Französisch?«, fragte Shelby Eli.
    »Kein Problem.« Eli trat näher, doch der Junge blickte nicht einmal hoch. »Hallo.« Er verdrehte die Augen. »Bonjour.«
    »Bonjour» , sagte der Junge und grinste Eli und Shelby vielsagend an – offenbar weil sie kein Gepäck hatten. »Vous désirez une chambre?«
    Shelby öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Eli bremste sie. »Ich mach das schon«, sagte er. » Non, deux chambres, s’il vous plaît.«
    Der Junge blickte Shelby an und dann wieder Eli. »Deux? Vous êtes sûr?«
    »Oui« , sagte Eli.
    Der Junge hob eine Augenbraue. »Et Madame? Elle est sûre aussi?«
    »Bon, d’accord. Avez-vous des chambres ou non?«
    »Oui, oui … ne vous fâchez pas. D’abord, j’ai besoin d’une carte de crédit  …« Eli klatschte seine MasterCard auf die Theke. »Voilà les clefs pour les chambres 40 et 42.«
    »Merci.«
    » Ou préférez-vous plus de distance entre les chambres?«
    »Non, ça va comme ça.« Eli fasste Shelby am Arm und zog sie zur Eingangstür. »Bonne nuit, alors  … « , rief der Junge ihnen lachend nach.
    Draußen marschierte Eli eilig Richtung Pick-up.
    »Ich hol den Hund. Ich möchte ihn nicht im Auto lassen.«
    »Eli!« Shelby stemmte die Hände in die Hüften. »Verdammt, jetzt hör mir doch mal zu!«
    Er drehte sich langsam um. »Was ist denn?«
    »Ich hab dich vorhin gefragt, ob du Französisch kannst, weil ich es auch kann, und ich hätte auch einchecken können. Hätten Sie lieber Zimmer, die weiter auseinanderliegen? «, äffte sie den Jungen von der Rezeption nach.
    Eli wäre am liebsten im Erdboden versunken. »Shelby, es ist nicht so, wie du denkst …«
    »Du hast keine Ahnung, was ich denke«, konterte sie und fügte dann leise hinzu: »Ich habe gedacht, der Bursche hatte recht. Du hättest ein Zimmer nehmen können.«
    Eli trat einen Schritt vor, bis er dicht vor Shelby stand. »Nein, hätte ich nicht«, sagte er.
    Er sah, wie das Leuchten in ihren Augen erlosch, und merkte, dass sie ihn missverstanden hatte. Er suchte nach den richtigen Worten. »Du kennst das vielleicht, man liest ein tolles Buch und dann hört man an einer schönen Stelle kurz auf zu lesen, weil man das Ganze verlängern will. Ich wünsche mir nichts mehr als dich … dich zu liebkosen. Aber das führt dann zu mehr … ziemlich schnell sogar. Die Phase, die ich im Augenblick erlebe – die wir erleben –, ist so ephemer. Und wenn sie vorüber ist, bekommen wir diese Empfindung nie wieder.« Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Ich will es nicht langsam angehen lassen, aber ich zwinge mich dazu.«
    » Liebkosen ? Ephemer ?« Langsam breitete sich ein Lächeln auf Shelbys Gesicht

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