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Zeit der Gespenster

Zeit der Gespenster

Titel: Zeit der Gespenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Fenster in dem verlassenen Haus von herumstromernden Kindern zerbrochen worden war, welche Seite der Veranda zuerst eingesackt war, welche Bretter der Treppe morsch waren.
    Er kannte auch das Kennzeichen von jedem Fahrzeug der Redhook-Gruppe, das im Umkreis geparkt hatte. Man munkelte, dass Newton Redhook das erste Einkaufszentrum von Comtosook bauen lassen wollte. Auf einem ihrer Friedhöfe.
    »Glaub mir«, sagte Fat Charlie. »Das war El Niño.«
    Winks schüttelte den Kopf. »Es ist unnatürlich, sonst nix. Ist doch nicht normal, dass es Rosen regnet.«
    Fat Charlie lachte. »Winks, guck dir lieber wieder irgendwelche Talkshows im Fernsehen an. Diese Horrorstreifen vernebeln dir langsam das Hirn, Mann.«
    Az sah sich um, bemerkte die zarte Blütenschicht auf der Erde. Er fuhr sich mit der Zunge durch die Mundhöhle, schmeckte wieder die Steine. »Was denkst du, Az?«, fragte Winks.
    Er dachte, dass diese Blütenblätter noch ihr geringstes Problem sein würden. Az richtete das Fernglas auf einen Bulldozer, der gemächlich die Straße heraufgetuckert kam.
    »Ich denke, keiner kann in der Erde graben«, sagte er laut, »ohne etwas ans Licht zu holen.«

    So hatte Ross Aimee kennengelernt: Am Broadway Ecke 112. Straße, im Schatten der Columbia University, war er im wahrsten Sinne des Wortes in sie hineingelaufen, und alle ihre Bücher und Notizen waren in einer braunen Pfütze gelandet. Sie war Medizinstudentin und bereitete sich auf ihre Anatomieprüfung vor, und als sie die Früchte ihrer harten Arbeit im Schlamm liegen sah, fing sie beinahe an zu hyperventilieren. Wie sie so dasaß, mitten auf der Straße in New York, war sie außerdem die schönste Frau, die Ross je gesehen hatte. »Ich helf dir«, versprach Ross, obwohl er von Anatomie keine Ahnung hatte. »Gib mir eine Chance.«
    So machte Ross Aimee einen Heiratsantrag: Ein Jahr später waren sie mit einem Taxi auf dem Weg zu einem Restaurant. Am Broadway Ecke 112. Straße bat Ross den Fahrer anzuhalten. Er stieg aus und kniete sich vor der offenen Tür auf dem schmutzigen Bürgersteig hin. Er klappte ein kleines Kästchen mit einem Ring darin auf und blickte in Aimees stahlblaue Augen. »Heirate mich«, sagte er, und dann verlor er das Gleichgewicht, und der Brillantring fiel durch das Gitter eines Gullys.
    Aimee klappte der Unterkiefer herunter. »Sag, dass das nicht wahr ist«, brachte sie schließlich hervor.
    Ross blickte nach unten auf das schwarze Gitter und das leere Kästchen. Er warf auch das in den Gully. Dann zog er einen anderen Ring, den richtigen Ring, aus der Tasche. »Gib mir noch eine Chance«, sagte er.
    Jetzt hob er auf dem menschenleeren Parkplatz die Flasche und trank einen Schluck. Manchmal hätte Ross sich am liebsten selbst die Haut abgekratzt, um zu sehen, was auf der anderen Seite war. Er wollte von Brücken in Betonseen springen. Er wollte schreien, bis ihm die Kehle blutete, rennen, bis seine Fußsohlen aufplatzten. In solchen Momenten, wenn das Versagen wie eine Flutwelle war, wurde sein Leben zu einer endlichen Geraden, deren Ende er aber aufgrund irgendeines kosmischen Witzes offenbar nicht erreichen konnte.
    Ross dachte über Selbstmord nach, so wie manche Menschen Einkaufslisten aufstellten – methodisch, detailliert. Es gab Tage, da ging es ihm gut. Und dann gab es Tage, an denen er auf der Straße die Leute zählte, die ihm glücklich vorkamen. Es gab Tage, da wäre es für ihn das Naheliegendste auf der Welt gewesen, kochendes Wasser zu trinken oder im Kühlschrank zu ersticken oder nackt hinaus in den Schnee zu gehen, um sich in der Kälte einfach zum Schlafen hinzulegen.
    Ross hatte einiges über Selbstmord gelesen und war fasziniert, was sich die Leute alles einfallen ließen – Frauen, die sich ihr langes Haar als Schlinge um den Hals legten, Männer, die sich Mayonnaise in die Vene spritzten, Teenager, die Feuerwerkskörper verschluckten. Aber jedes Mal, wenn er kurz davor war zu testen, wie viel Gewicht ein Balken hielt, oder wenn er sich mit einem Grafikermesser die Haut aufritzte, bis Blut kam, musste er daran denken, was für eine Sauerei er hinterlassen würde.
    Er wusste nicht, was der Tod für ihn bereithielt. Aber er wusste, dass es nicht das Leben sein würde, und das reichte ihm. Seit dem Tag, an dem Aimee starb, hatte er nichts mehr empfunden. Seit dem Tag, an dem er, wie ein Idiot, den Helden spielen musste, zuerst seine Verlobte aus dem Autowrack zog und dann auch noch die Fahrerin des anderen Wagens,

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