Zeit der Gespenster
infrage.«
Eli atmete schwer aus. Das machte seine Theorie zunichte, weil es jetzt einen DNA-Beweis gab, dass Gray Wolf auch am Tatort war. Aber vielleicht gehörte der Medizinbeutel ja gar nicht zu Pikes Inszenierung des Tatorts. Vielleicht hatte Gray Wolf ihn aus welchem Grund auch immer eine Zeit lang getrag en und dann Cecelia als Liebespfand geschenkt. Und sie hatte sich den Beutel vom Hals gerissen, als sie am Seil hing …
»Da ist noch was, Eli.« Frankie zögerte. »Die Sache hat mich so gewurmt, dass ich mir den verdammten Beutel noch mal vorgenommen und sechs weitere Genorte getestet habe. Da.«
Tabelle 2 – Typisierungsergebnisse
SCHLÜSSEL:
Typen in Klammern () weisen geringere Intensität auf als Typen ohne Klammern.
– Keine eindeutigen Ergebnisse
** 0 Ergebnis möglicherweise auf begrenzte Menge DNA zurückzuführen.
Frankie fuhr mit einem knallroten Fingernagel an den Reihen entlang. »An keinem einzigen Genort habe ich vier Typen gefunden. Bei diesen Tests hab ich nicht mal drei Typen gefunden.«
»Das heißt?«
»Das heißt, wenn wir beide etwas anfassen und darauf unsere Hautzellen zurücklassen, dann ist davon auszugehen, dass wir an einer von fünfzehn Stellen vier unterschiedliche Typen haben würden. Soll heißen, du hast zwei von deinen Eltern, und ich habe zwei von meinen Eltern, und die Wahrscheinlichkeit, dass wir mehr als ein- oder zweimal in einem Profil die gleichen Typen haben, ist ziemlich gering.«
»Du hast gesagt, die DNA war schwierig zu gewinnen. Vielleicht ist irgendwas durcheinandergeraten.«
»Nein. Deshalb hab ich ja die zusätzlichen Tests gemacht.« Frankie strich sich die Haare hinter die Ohren. »Mischungsprofile mit nur drei Typen oder sogar zwei Typen kommen normalerweise zwischen Eltern und Kindern vor. Da der Elternteil stets ein Allel an den Nachkommen abgibt, haben Elternteil und Nachkommen in jedem Fall mindestens ein Allel gemeinsam. Eine DNA-Mischung, wie wir sie hier bei Gray Wolf und Cecelia Pike sehen, würde darauf hindeuten, dass die beiden Vater und Tochter waren.«
Eli schüttelte den Kopf. »Unmöglich. Cecelia Pike war weiß.«
Frankie zog ein weiteres Blatt Papier aus ihrem Ordner. »Statistisch gesehen«, sagte sie, »bin ich da anderer Ansicht.«
NEUN
Eli Rochert konnte Ross gestohlen bleiben. Man musste einen Menschen nicht in Fleisch und Blut kennenlernen, um ihn zu kennen . Manchmal genügte es, ein Tagebuch zu lesen, um eine Seelenverwandtschaft zu spüren. Oder vergilbte Liebesbriefe, die eine Romanze wieder lebendig machten. Ross hatte Lia gekannt, und der Cop täuschte sich – wenn sie eine Affäre gehabt hätte, müsste er es wissen.
Denn sie hätte sie mit ihm gehabt.
Mit einem tiefen Knurren stand Ross vom Bett auf und lief in dem kleinen Zimmer auf und ab, ein Tiger im Käfig. Er hatte Lia gekannt, aber er hatte nicht gewusst, wie es war, ihren Körper ganz nah bei sich zu fühlen, zu spüren, wie sie ihre Fingernägel in seine Schultern grub, während die Nacht sich um sie beide herum bewegte wie etwas Lebendiges. Er hatte Lia gekannt, aber nicht genug.
Es gab Augenblicke, da glaubte Ross an Gott. Nicht an einen gütigen oder gerechten Gott, sondern einen Gott mit boshaftem Humor. Einen Gott, der jemanden bestrafte, der einen nicht wiedergutzumachenden Fehler begangen hatte, indem er mit der Belohnung winkte, die derjenige unbedingt haben wollte, und sie dann wieder wegzog, damit derjenige aufs Gesicht fiel.
Die Wände rückten näher, und er hatte einen Knoten im Hals, der ihm die Luft abschnürte. Sein Schädel war zu eng für sein Gehirn.
»Okay«, sagte er zu niemandem. »Okay.«
Es geschah bereits – im Spiegel über der Kommode sah er eine potenzielle Waffe. Er spürte ein Jucken an den Handgelenken. Er stellte sich eine Welt vor, in der er nicht war.
Ross stürmte aus dem Zimmer, die Treppe hinunter und an Shelby vorbei. »Wohin …«, setzte sie an.
»Nach draußen.«
Er rannte an Ethan vorbei, der noch immer mit dem Mond wachte. Sein Wagen brauste die Zufahrt hinunter und dann über die gewundenen Straßen von Comtosook. Erst nach fünf Minuten merkte er, wohin er fuhr, und als er am Otter Creek Pass an der Absperrung hielt, war es um ihn herum völlig finster.
Die protestierenden Abenaki waren für die Nacht zurück ins Camp gegangen; die Handvoll Reporter, die von ihren Redaktionen noch nicht wieder abberufen worden waren, hatten sich im Best Western in Winooski einquartiert. Rod van Vleet war
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