Zeit der Gespenster
warum. Frankies DNA-Analyse hatte seinen Ermittlungen eine unerwartete Wendung gegeben. Wenn Gray Wolf Cecelia Pikes leiblicher Vater gewesen war, dann hatten die beiden wohl kaum eine Affäre gehabt. Der Medizinbeutel und auch die Pfeife könnten Geschenke gewesen sein. Doch Eli hielt Pike nach wie vor für den Mörder. Gray Wolf war erst kurz zuvor aus dem Gefängnis entlassen worden und hatte augenblicklich die Tochter ausfindig gemacht, die er noch nie gesehen hatte. Falls Cecelia erfahren hatte, wer ihr wirklicher Vater war, könnte sie das ihrem Mann verschwiegen haben, sodass Spencer Pike vielleicht falsche Schlüsse gezogen hatte, als er seine Frau mit einem Indianer zusammen sah. Oder aber Pike hatte die Herkunft seiner Frau herausgefunden und dadurch seine Karriere gefährdet gesehen. Daher hatte er den Beweis einfach aus dem Weg geräumt.
Wie auch immer, der Protest der Abenaki wegen des Friedhofs war berechtigt gewesen.
Er fand Az Thompson im Morgengrauen am Ufer des Winooski beim Angeln. Die mageren Schultern des alten Mannes bewegten sich unter dem Stoff seines Hemdes, während er an der Kurbel drehte und den Köder auswarf. »Mein Großvater hat mal im Lake Champlain einen Stör gefangen«, sagte Eli, als er von hinten auf ihn zutrat.
»Die gibt’s da«, sagte Az.
»Meine Mutter hat mir erzählt, dass er das Biest an seinem Kanu festbinden und sich im Kreis herumziehen lassen musste, bis es müde wurde, dann erst konnte er es ins flache Wasser schleppen und hat es totgeschlagen.«
»Geduld ist das A und O«, pflichtete Az bei.
Eli sah zu, wie er einen weiteren Fisch in seinen Eimer warf. »Ich brauche Ihre Hilfe. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass Cecelia Pike eine Halb-Abenaki war.«
Az stockte nur eine Sekunde. »Abenaki«, wiederholte er leise. »Glauben Sie, die Morgendämmerung ist für Menschen, die nicht nach ihr benannt sind, genauso schön?«
Eli wusste, dass der Alte keine Antwort erwartete. »Ich weiß, es müsste eine Art – äh, ich meine, gibt es denn keine Zeremonie? Einen Ort, wohin sie und ihre Tochter gebracht werden können?«
Az blickte auf. »Was wird aus dem Grundstück?«
»Ich weiß es nicht«, gestand Eli.
Der Alte schien sich mit der Antwort zu begnügen. »Ich kümmere mich um sie«, sagte er.
Als Cecelia Pike ermordet wurde, war Duley Wiggs zwanzig Jahre alt und erst seit acht Tagen Polizist. Jetzt hatte er Alzheimer im Anfangsstadium und lebte bei seiner Tochter Geraldine. »An manchen Tagen ist er fast normal«, sagte sie müde zu Eli, als sie mit ihm vor der Schiebetür zur Veranda stand, wo Duley in einem Rollstuhl saß. »Und dann gibt es Tage, an denen er nicht genau weiß, was er mit einem Löffel anfangen soll.«
»Danke, dass ich mit ihm reden darf.«
»Mit ihm reden ist kein Problem«, sagte Geraldine achselzuckend. »Aber er bringt vieles durcheinander. Nehmen Sie nicht alles, was er sagt, für bare Münze.«
Eli nickte und folgte ihr auf die Veranda. »Daddy? Daddy, hier ist jemand, der dich sprechen möchte. Detective Eli Rochert aus Comtosook. Du weißt doch noch, dass du mal in Comtosook gewohnt hast, nicht?«
»Ich hab mal in Comtosook gewohnt, wissen Sie«, sagte Duley. Er schüttelte Eli die Hand.
»Hallo, Duley.« Eli hatte seine Ausgehuniform angezogen, in der Hoffnung, den Erinnerungen des alten Mannes dadurch auf die Sprünge zu helfen. »Ich würde Ihnen gern ein paar Fragen stellen.«
»Miranda, lass uns zwei bitte allein, ja?«, sagte Duley.
»Ich bin Geraldine, Daddy.« Sie seufzte und ging dann wieder ins Haus.
Eli setzte sich. »Erinnern Sie sich noch an irgendwelche Mordfälle in der Zeit, als Sie in Comtosook Polizist waren?«
»Mordfälle? Oh ja, sicher. Wir hatten jede Menge Mordfälle. Ach, nein, eigentlich waren das eher Einbrüche. Eine ganze Serie in den Vierzigerjahren. Die gingen auf das Konto von zwei Teenagern, die sich für Bonnie und Clyde hielten.«
»Aber die Mordfälle …«
»Einen gab es«, sagte Duley. »Das, was der armen Cissy Pike angetan wurde, kann man nicht vergessen. Ich kannte sie persönlich. Wir sind auf dieselbe Schule gegangen. Sie war zwei Jahre jünger als ich. Hübsches Ding und auch ein heller Kopf. Genau wie ihr Vater. Er war Astronaut.«
»Er war Professor, Duley.«
»Hab ich doch gesagt!« Der alte Mann blickte verärgert. »Hören Sie besser zu, ja?«
»Natürlich. Tut mir leid. Also … Sie wollten über den Mord an Cissy Pike sprechen …«
»Sie war mit einem hohen
Weitere Kostenlose Bücher