Zeit der Heimkehr
biegsamer Schwanz hinter dem Stuhl wie ein pelziges Metronom hin und her schwang. Das Haus wurde fünf Minuten lang totenstill, bevor es sich schließlich anschloß, erst zögernd, dann mit wachsender Zuversicht.
Nie hatte sich Jon-Tom in seinem Leben besser gefühlt. Und noch nie hatte er besser gespielt, dachte er glücklich. Er sprang und hüpfte und tänzelte durch den Raum, es gelang ihm sogar ein überschäumender Split in der Luft ä la Pete Townshend. Und als er fertig war der Schweiß strömte ihm nur so vom Gesicht und aus den Achselhöhlen, er sog den Atem in langen, lieblichen Zügen ein-, kehrte noch immer keine Stille in die Werkstatt ein. Denn Couvier Coulb war aufgesprungen und applaudierte mächtig.
»Welch eine Gefühlstiefe! Soviel Einsicht und Enthusiasmus! Welch schonungsloses Ausdrücken persönlichen Karmas!«
»Ach ja?« Jon-Tom richtete sich auf.
»Wie nennst du das?«
»Ein Lied für meine Geliebte, von der ich mir wünschte, sie wäre jetzt hier, um diesen Augenblick mit mir teilen zu können. Es heißt ›The Lemon Song‹ und stammt von einem leisen Haufen gutmütiger Burschen, die sich mal Led Zeppelin nannten. Sehr hoch entwickelt.«
Der Kinkaju speicherte diese Information, dann machte er kehrt und schritt in den hinteren Teil der Werkstatt. »Komm mit, junger Mann, ich habe noch etwas, was ich dir zeigen will.« Das Funkeln war wieder in seine Augen zurück gekehrt.
»Ach ja, bitte, bevor ich es vergesse, laßt mich Euch noch bezahlen. Mein Gepäck ist draußen in unserem Zimmer.«
»Kein Geld. Du hast mir das Leben gerettet. Beleidige mich nicht, indem du mir Geld anbietest. Und außerdem hast du mir das Geschenk dieser wunderbar gefühlvollen Musik gemacht.« Er nahm Jon-Tom bei der Hand und zog ihn mit sich.
Die hintere Wand wurde von einem Aktenschrank eingenommen, der vom Boden bis zur Decke reichte. Eine Rolleiter ermöglichte das Erreichen der oberen Schubfächer. Coulb stieg ein paar Stufen empor, blieb stehen, um mit einem langen Finger winzige Etiketten abzufahren, dann öffnete er eines der Fächer. Jon-Tom konnte erkennen, daß es gänzlich mit fünf Zoll großen Flaschen aus koloriertem Glas angefüllt war. Sie hatte eine große Ähnlichkeit mit altmodischen Milchflaschen, nur daß ihre Stopfen aus einem stark duftenden, goldtönenden Harz bestanden. Der Kinkaju entnahm eine Flasche und zeigte sie seinem jungen Gast.
»Der Stopfen besteht aus reinem Weihrauch. Ich kaufe ihn von einem Händler, der einmal im Jahr aus den Wüstengebieten hierher in die Stallungen kommt. Es ist die einzige Substanz, die richtig versiegelt.«
Die Flasche schien leer zu sein. Jon-Tom war nicht nahe genug daran, um das Aufklebeetikett lesen zu können. Er zeigte auf den Schrank. »Was ist das denn alles?«
»Oh, meine Musiksammlung, natürlich. Ich bin Instrumentenbauer. Ich kann Gegenstände reparieren oder entwerfen, die Klänge von sich geben, die bis dahin nur geahnt, aber noch nie gehört wurden. Viele von ihnen kann ich auch ganz gut spielen. Aber komponieren kann ich nicht. Ich kann nicht erschaffen. Wenn ich also müde oder gelangweilt bin, gehe ich an meine Sammlung.« Er zeigte auf den inzwischen leeren Gnieschiekollektor.
»Die Musik unserer kleinen Freunde dringt durch die winzigen Löcher in der Kollektorplatte. Wenn ich in Stimmung bin, lege ich einen anderen Filter darauf. Dieser mündet in eine Röhre, die ich in eine dieser Flaschen leite. Auf diese Weise sammle ich Musik. Vieles davon erkenne ich nicht, aber das hält mich nicht davon ab, es zu genießen. Ich bin so etwas wie ein Experte auf dem Gebiet der Musik anderer Welten und Dimensionen geworden. Die Gnieschies können sich frei zwischen ihnen bewegen. Hör mal.« Er zog den Stopfen aus der Flasche.
Wieder erfüllte der Klang eines Sinfonieorchesters die Werkstatt. Blech rumpelte, und Saiten schwangen. Als Coulb sich anschickte, die Flasche wieder zu verschließen, kehrte die Musik sich um, spielte rückwärts, als würde sie durch irgendeine unvorstellbare Art von Sog wieder in die Flasche zurückgezogen.
»Mit sehr viel Arbeit und Studium ist es mir gelungen, Musik und Komponisten zu identifizieren.« Er blinzelte das Etikett an.
»Das war Teil des Zweiten Satzes der Vierzehnten Sinfonie von einem Gnieschie, das sich Beethoven nennt.«
Jon-Tom konnte kaum noch atmen. »Der hat doch nur neun Sinfonien geschrieben.«
»Solange er noch am Leben war, ja.« Mit einem wackelnden Finger deutete Coulb auf
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